Fader Frühschoppen zu später Stunde

10.9.2012, 09:35 Uhr
Fader Frühschoppen zu später Stunde

© Gerd Axmann

„Wer ist die wichtigste Person auf der Bühne?“, fragt Hilde Pohl vom Flügel. Sängerin Julie Weigand gibt sofort die Antwort: nicht beider Gatten Yogo Pausch und Norbert Weigand, sondern der „King“, der zwar nur als Pappkamerad, dafür in Lebensgröße und im Goldlamé-Anzug mit dekorativer Gitarre in die Grüne Halle lächelt.

Blickfang Nummer zwei ist eindeutig das Sousaphon, ein Ungeheuer von Blasinstrument, in dem Weigand steckt wie ein Schiffbrüchiger im Rettungsring: umwunden von Rohren und Ventilen, entlässt er seine Töne durch einen riesigen Schalltrichter. Töne, die hier die Bassgitarre ersetzen und statt dunkler Zupflaute die Klangfarben eines Nebelhorns erkunden.

Denn diese Elvis Revival Band will die Musik des „King“ nicht als Rock’n’Roll simulieren, sondern in die Gefilde des Jazz transformieren. Entsprechend gebremst aggressiv, dafür locker verswingt, garniert mit Standardmustern und kurzen Instrumentaleinlagen, verläuft der Abend. Das Publikum, überwiegend ältere Herrschaften, die vermutlich noch zur Schule gingen, als Elvis in Deutschland über den Truppenübungsplatz robbte, lässt sich beim Essen und Bier nicht stören. Da entsteht schnell der Eindruck eines musikalisen Frühschoppens, bloß am Abend. Man gewinnt den Eindruck, die Akteure könnten wesentlich pfeffriger aufspielen, wenn nur die entsprechende anfeuernde Resonanz rüberkäme.

Immerhin, die Auswahl berücksichtigt nicht nur die Standards wie „Fever“, Devil in Disguise“, „Blue Moon“ oder „Return to Sender“, die Band wühlt auch tief im Blues mit „Black Coffee“ und fördert den spirituellen Elvis zutage. Mit einer hymnischen Intonation von „Großer Gott, wir loben dich“ leitet Pohl über zu „Crying in the Chapel“, was Julie Weigand mit einer Inbrunst zelebriert, die einer Gospelkirche angemessen wäre.

Und doch, man hätte sich mehr Wagemut gewünscht, Elvis so richtig schräg zu verjazzen. So bleibt es bei einer zünftigen Brunch-Musik, die sich etwas mehr hervortut, als eine bloße Klangkulisse abzuliefern.

 

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