Im Zirndorfer Museum gibt es kein Sammelsurium

22.11.2016, 06:00 Uhr
Im Zirndorfer Museum gibt es kein Sammelsurium

© Foto: Petra Fiedler

Der Koffer, den Museumsmitarbeiterin Edith Habenstein hervorholt, erinnert an Zeiten, in denen Menschen noch ohne Kunststoffutensilien auf Reisen gingen. Das Material ist dunkelbraune Pappe, Ecken und Leisten sind mit Holz verstärkt und die Schlösser öffnen sich mit dem charakteristischen Schnalzen des Blechs. Der Koffer gibt einen betagten Inhalt frei: Puppenkleider, eine Blecheisenbahn, Puppen aus Pappmaschee, ein ruinierter Porzellankopf, alles stammt aus der Zeit vor 1950.

„Das ist mittlerweile eine typische Spende an unser Museum“, erklärt Edith Habenstein. Sie nimmt den in Scherben gegangenen Puppenkopf zur Hand und erläutert, warum auch so ein zerstörtes Artefakt von Bedeutung sein kann: „Bei diesen Schlafkopfpuppen sorgt ein Bleigewicht für das Öffnen und Schließen der Augen.“ Ein Detail, das unter Gesichtspunkten einer wissenschaftlich aufgearbeiteten Sammlung Bedeutung hat. Ein Museum will zeigen können, wie in altem Spielzeug die einfache und grob anmutende Mechanik funktionierte.

Viele einzelne Schritte

Doch bevor die Dokumentation steht, wurde und wird in Zirndorf Stück für Stück in den Museumsbestand eingearbeitet. Edith Habenstein beschreibt die Tätigkeit hinter den Kulissen: das Katalogisieren, die Bestimmung von Alter, Hersteller und Material, die Verflechtungen der Zulieferer und auch den pädagogischen Auftrag, den Spielzeug im Wandel der Zeit verfolgen sollte, und nicht zuletzt das Archivieren.

Am Ende sind die Teile nicht nur attraktive Bestandteile für Dauer- oder Sonderausstellungen, sondern auch für die Dokumentation der Spielzeugherstellung in Zirndorf. Fotos und Inventarblätter helfen, wenn andere Museen Ausstellungsstücke nachfragen, oder wenn in Zirndorf selbst eine neue Ausstellung konzipiert werden soll.

Absoluter Mittelpunkt der Museumsarbeit ist naturgemäß das Zirndorfer Spielzeug. Als das Haus 1995 eröffnete, war der Bestand noch recht übersichtlich. Museumsleiterin Sabine Finweg beschritt viele Wege, um an Exponate zu kommen. Sie besuchte noch bestehende Firmen, bat über Zeitungsartikel die Bevölkerung um Leihgaben und schrieb Sammler an.

„Wir hatten anfangs gar nichts“, erzählt dazu Edith Habenstein und beschreibt die Verwunderung der Zirndorfer, als sie erster Ausstellungsstücke gewahr wurden: „Das alte Zeug wollt ihr für das Museum haben?“ Für die Eigentümer seien die alten Blechspielsachen banale Dinge und keine Museumsgegenstände gewesen, erklärt sie.

Danach allerdings füllten sich die Bestände. Die Stadt konnte ankaufen, bekam Spenden und Leihgaben. Heute werden ganze Sammlungen abgegeben, durchforsten Museumsfreunde Flohmärkte und Internetbörsen und bringen ihre Trophäen in das schmucke Fachwerkhaus.

Im Lauf der vergangenen zwanzig Jahre sei das Museum zu einer Anlaufstelle für altes Spielzeug geworden, berichtet Habenstein. Gesammelt werde über die Grenzen der Bibertstadt hinaus. Die Dauerausstellung widmet sich aber vor allem der ortsansässigen Herstellung.

Die Trudelmadame wartet

„Oben unsere ,antiken‘ Stücke, unten die modernen Produktionen“, beschreibt die Museumsführerin die Systematik in den Vitrinen. Und da findet sich vor allem unter den in Zirndorf so vielfältig herstellten Kreiseln eine robuste Trudelmadame. Der Begriff ist das Zirndorfer Synonym für singende und quietschende Drehspielzeuge.

Wo und wie das Spielzeug hergestellt wurde – in Firmen, wie der der Familie Zimmermann mit 200 Mitarbeitern, oder in Heimarbeit am Küchentisch – zeigt ein Blick in die „Werkstatt“. Das Zirndorfer Blechspielzeug wurde schon gestanzt und genietet. Dazu bedurfte es elektrisch betriebenen Geräts. Die Transmission allerdings steht still. „Schade, dass wir sie nicht laufen lassen können“, bedauert Habenstein. Aber die Erschütterungen des massiven Geräts sind dem historischen Gebäude nicht zuzumuten.

„Spielzeug hatte auch immer einen pädagogischen Auftrag“, bedeutet Edith Habenstein im Dachsaal des Museums. Dort ist derzeit die Sonderausstellung „Freie Fahrt! – Mobilität im Kinderzimmer zu sehen“. Autos, Boote, Flug- und Raumfahrzeuge sind ausgestellt, natürlich in Kinderzimmergröße. Zum Beispiel Fahrzeuge und Figuren der Reichswehr aus den 1920er Jahren. Als Spielzeug war auch das Militär ein Bestandteil der Kinderzimmerwelt.

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