Innige Buchgefühle, die richtigen Düfte und ein Elefant

5.6.2016, 10:00 Uhr
Innige Buchgefühle, die richtigen Düfte und ein Elefant

© Fotos: Hans-Joachim Winckler

Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen, meinte Goethe und hatte selbstverständlich keinen E-Book-Reader im Sinn. Dabei lassen sich auf so einem Lesegerät für elektronisch gespeicherte Buchinhalte mühelos ein paar hundert dicke Schwarten transportieren. Ähnlich wie auf dem Smartphone, Tablet oder PC.

Das klingt praktisch, ist aber für Ellen Kress nicht wirklich eine Alternative: „Digital lese ich nur, wenn es sein muss“, erklärt die Kunstwissenschaftlerin, die im Beruf nicht um die elektronische Lektüre herumkommt. Sie schätzt aber zum Beispiel an einer Zeitung, „dass ich da, anders als bei irgendeinem Lesegerät, eine komplette Doppelseite auf einen Blick erfassen kann“.

Ihren privaten Bedarf sucht sich die 50-Jährige gerne in einem der öffentlichen Buchtauschregale in der Stadt aus. Die Idee – man nimmt sich kostenlos mit, was gefällt und stiftet bei Gelegenheit selbst etwas Ausgelesenes – findet sie toll: „Im Moment entdecke ich da ganz viele revolutionäre linke Geschichten aus den 70er Jahren. Besonders gefallen hat mir jetzt unter anderem ein Buch von Anna Seghers.“

Ellen Kress hat es sich mit ihrem Sohn Jean (4) auf den Sitzsäcken im Musikpavillon mit einem Zoo-Bilderbuch gemütlich gemacht. Mutter und Sohn mögen zwar keine eingesperrten Tiere, aber Jean gefällt die abgebildete Löwenfamilie ziemlich gut. Die Sitzsäcke schätzt der Vierjährige nicht. Er möchte hier lieber ungestört herumrennen.

Geruchs-Nostalgiker

Bernd Menzel hat sich in einem Liegestuhl in ein Werk von Jorgo Chatzimarkakis vertieft: „Tagebuch eines griechischen Euro.“ Ein reizvoller Titel findet der 50-Jährige: „Klingt spannend.“ Auch von ihm kommt keine Sympathie für die elektronische Vielbücherei: „Ich lese ausschließlich auf Papier.“ Beeindruckt haben ihn vor kurzem Arbeiten von Ex-Titanic-Chef Oliver Maria Schmitt oder von Leo Fischer: „Interessant, klug und satirisch geschrieben.“

Menzel nutzt den Nieselregen und schmökert unter dem schützenden Dach des Pavillons weiter: „Ich lese viel, aber immer noch zu wenig. Wenn die Sonne scheint, fahre ich nämlich gerne Rad. Außerdem arbeite ich im Eine-Welt-Laden mit.“

Die beiden österreichischen Studentinnen Mira Krenn (21) und Veronika Hafellner sind mit der Aktion „StadtLesen“, die in Salzburg ihren Anfang nahm, nach Fürth gekommen. Ihre Vorliebe gehört ebenfalls dem Gedrucktem auf Papier: „Es ist angenehm, was Richtiges in der Hand zu haben. Mein iPad verbinde ich mit der Uni, da will ich nicht zum Vergnügen drauf lesen“, sagt Veronika. Mira schwärmt vom richtigen Duft: „Ich bin ein Geruchs-Nostalgiker. Jedes Buch riecht doch anders. Neu oder alt, zum Beispiel.“ Die jungen Frauen reisen mit „StadtLesen“ in mehrere Städte. Fürth gefällt ihnen: „Total schöne Häuser und auffallend viele Eltern und Großeltern, die mit Kindern zu uns kommen.“

Ein inniges Gefühl für seine Bücher hegt Chulam Hussain. Der 57-Jährige stammt aus Afghanistan, lebt seit 30 Jahren in der Kleeblattstadt, ist Dolmetscher und „Sprachmittler“. Hussain sagt: „Ich habe 438 Bücher, die sollen immer dabei sein. Ich vermisse sie sonst.“ Intensiv beschäftigt er sich derzeit mit den Klassikern der deutschen Philosophie. „Immanuel Kants ,Kritik der reinen Vernunft‘ habe ich fünfmal gelesen, aber es bleiben immer Fragen. Man braucht zwanzig weitere Bücher, um das zu verstehen.“ Er schmunzelt: „Und wenn ich etwas nicht verstehe, dann werde ich sauer.“

Ayomi ist drei und stöbert mit ihrer Mutter Mali Osajere (32) im verlockenden Lesestoff. E-Book-Reader? Kein Thema. Ayomi mag „alles mit Tieren“, weiß die Mutter. Die Kleine greift zu einem Bilderbuch. „Ein Hauptgewinn ist immer drin“ heißt das, was aber viel wichtiger ist – hier mischt ein Elefant mit. Ayomi nickt. Passt.

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