Skalpell! Schere! Cutter! Papier!

18.9.2010, 10:34 Uhr
Skalpell! Schere!  Cutter! Papier!

© Hans-Joachim Winckler

Ein Hauch von Mottenkugeln und das dumpfe Wabern von Dilettantismus klebte bis vor wenigen Jahren am klassischen Scherenschnitt. Auch der scheinbar unverzichtbare ovale Holzrahmen ist längst Geschichte. Welche Kraft in der jahrhundertealten filigranen Kunst liegt, die mit Schere oder mittlerweile häufiger noch mit Skalpell und Cutter wegschneidet, was den Blick verstellt, zeigt die städtische Galerie jetzt in einer Gruppenausstellung, die schon allein deshalb sehenswert ist, weil sie einen aktuellen Querschnitt zu diesem runderneuerten Thema bietet.

Wucherndes Geäst

Diese Schau ist kein Fall für Fast-Look-Fans. Schnellgucker werden kaum Spaß haben an den Arbeiten der sieben Ausstellenden. Gut, der erste Eindruck ist auf jeden Fall verblüffend. Da ist zum Beispiel Annette Schröter. Sie nimmt das Spiel mit der Historie ihrer Kunst auf. Anmutig verspielt und beinahe biedermeierlich scheint ihr zartgliedriges Medaillon, das sich unversehens als Mittelding zwischen Dornenkrone und Stacheldrahtkranz entpuppt. Kaum weniger verstörend hantieren ihre Fensterschnitte mit den Erwartungen: Zerbrochenes Glas, verfallenes Mauerwerk und wucherndes Geäst entfalten eine verwirrende Ästhetik.

Hansjörg Schneiders Papierschnitte spüren die Schnittmenge zwischen Architektur und Bildender Kunst auf. Licht und Schatten öffnen Räume. Schneider reduziert Gebäude, wie den längst abgerissenen Palast der Republik, auf ihre Struktur, lediglich die transparente Fensterfront erscheint auf dem Papier. Auf mysteriöse Weise bildet der Betrachter das Fehlende selbstständig nach; Kopfbilder entstehen, die Allgemeingut sind und doch im höchsten Maß individuell.

Raumfüllend ist das Ausschnitt-Kabinett, das Harriet Groß für die kunst galerie inszeniert hat. Sie legt Verbindungen an zwischen ihren gerahmten Werken, luftige Bezüge, die Gedanken in Schwung setzen und zum Weiterspinnen verführen. So kommt Bewegung in scheinbar Feststehendes. Ein virtuoser Flirt setzt ein mit dem, was ist, und dem, was sein könnte.

Zu denen, die kunst-galerie-Chef Hans-Peter Miksch nach Fürth gerufen hat, gehören auch Daniela Huber und Yvonne Jakob, die mit ihrer großen Gemeinschaftsarbeit in eine andere Welt entführen. „Wir sind uns in unserer Arbeitsweise sehr vertraut“, sagt Huber über die enge Kooperation mit der Kollegin. Ein Eindruck, den der denkbare Raum, den sie eröffnet haben, bestätigt. Auf einer Fototapete blitzen Momente persönlicher Erinnerungen auf, übereinandergeschichtet wie ein Pop-Up in die Unendlichkeit.

Weiblicher Kosmos

Ist da was? Die Frage ist beim ersten Blick auf Zipora Rafaelovs schwereloses Weiß in Weiß in Nichts erlaubt. So filigran, verspielt und anmutig wie sie nimmt es kein anderer mit diesem Thema auf. Die aus Israel stammende Künstlerin greift zu Motiven und Figuren, die ihr seit Kindertagen vertraut sind. So tauchen aus den zarten Fadengespinsten ihrer Weißschnitte aus Film-Polyester biblische Frauengestalten auf und durchaus Profanes wie Bügeleisen oder Zangen. Kindlichen Wimmelbildern gleich, offenbaren ihre zunächst so einfach anmutenden Welten einen tiefen Blick in einen durch und durch weiblichen Kosmos.

Einen neuen Aspekt stellt Stefan Saffer in den Raum. Seine Skulpturen, geschnitten und gefaltet aus je einem Quadratmeter bemalten Aluminiumblech, haftet etwas so selbstverständlich Heiteres an, dass die Ecken und Kanten seiner Arbeiten erst nach und nach die Wucht ihrer Wirkung entfalten.

Durchdacht genutzt sind auch diesmal wieder die räumlichen Möglichkeiten der kunst galerie. Und so gehört zu den Pluspunkten dieser Gruppenschau der unerwartete Dialog der verschiedenen Arbeiten, entsprungen aus der planvollen Konfrontation der Werke.

Eine Ausstellung, die ausgezeichnet abschneiden sollte.

„Cut.X": Eröffnung am Sonntag, 11 Uhr, kunst galerie fürth (Königsplatz 1). Bis 31. Oktober. Sonntags 11—17 Uhr, dienstags bis samstags 13—18 Uhr. Mit Unterstützung des Förderkreises der kunst galerie fürth erscheint ein Katalog mit Texten von Antje Buchwald und Kurator Hans- Peter Miksch.