Lücken im Radwegenetz: Ausbau scheitert oft an Kleinigkeiten

31.10.2019, 05:55 Uhr
Vorfahrt für Radfahrer gibt es jetzt im Bereich der ersten Fahrradstraße in Nürnberg, die vor wenigen Wochen eingeweiht wurde. Nur einer von vielen Schritten, die nötig sind, um die Ziele des "Radverkehrsprogramms Bayern 2025" zu verwirklichen.

© Foto: Stefan Hippel Vorfahrt für Radfahrer gibt es jetzt im Bereich der ersten Fahrradstraße in Nürnberg, die vor wenigen Wochen eingeweiht wurde. Nur einer von vielen Schritten, die nötig sind, um die Ziele des "Radverkehrsprogramms Bayern 2025" zu verwirklichen.

Seit einigen Monaten steht ein etwas ungewöhnlicher Zeitmesser auf dem Schreibtisch von Claus Schwarzmann. Zum Dank für dessen Engagement in Sachen Radwegebau hat die Kreisgruppe Forchheim des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) dem Bürgermeister von Eggolsheim die goldene Nachbildung eines Fahrrades mit einer Tischuhr im Vorderrad überreicht.

"Nahezu im Jahresrhythmus wurden neue Wege fertiggestellt", lobt der ADFC auf seiner Homepage den oberfränkischen Rathauschef und listet unter anderem die nun durchgängig befahrbaren Verbindungen nach Bammersdorf, Buttenheim oder Neuses auf. Auch Schwarzmann ist mit dem bisher Geschafften durchaus zufrieden: "Wir haben richtig Kilometer gemacht in den vergangenen Jahren", sagt der Kommunalpolitiker nicht ohne Stolz.

Widerstand von Grundstückseigentümern

Gleichzeitig aber frustriert es ihn etwas, dass weitere Vorhaben wie ein Radweg zwischen den Eggolsheimer Ortsteilen Rettern und Weilersbach oft an vermeintlich kleinen Hürden wie dem Veto einiger weniger betroffener Grundstückseigentümer scheitern. "Dabei sind solche Lückenschlüsse für ein Radwegenetz, das von den Menschen auch angenommen werden soll, unheimlich wichtig", ärgert sich Schwarzmann, der angesichts der zahlreichen Forderungen nach einer klimafreundlicheren Mobilität im Fahrrad eines der wichtigsten Verkehrsmittel der Zukunft sieht.

Der Eggolsheimer Rathauschef, der seit über 20 Jahren als Vertreter des Bürgerbundes, einer örtlichen Liste, die Geschicke der Kleinstadt am Rande der Fränkischen Schweiz lenkt, denkt unter anderem an die vielen Pendler aus dem Landkreis Forchheim, die regelmäßig auf dem Frankenschnellweg im Stau stehen. Denen müsse man Alternativen wie kreuzungsfreie Radschnellwege mit breiteren Fahrspuren und weiteren Kurvenradien anbieten, die auch für die immer beliebter werdenden E-Bikes geeignet seien, fordert Schwarzmann. "Und vor allem darf so ein Radweg nicht irgendwo im Nichts enden."

Überzogene Preise

Mit solchen Forderungen steht der oberfränkische Kommunalpolitiker wahrlich nicht alleine da. Die Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen in Bayern (AGFK) etwa hat sich in den vergangenen Jahren zu einer ernstzunehmenden politischen Größe entwickelt. Seit April dieses Jahres ist diese Interessengemeinschaft um 15 auf nunmehr 76 Mitglieder angewachsen. "Für acht weitere Kommunen läuft gerade das Aufnahmeverfahren", erzählt AGFK-Vorsitzender Matthias Dießl, der in seiner Funktion als Landrat des Landkreises Fürth auch unmittelbar für manches Projekt in Sachen bessere Rad-Infrastruktur verantwortlich ist.


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Ähnlich wie Claus Schwarzmann müssen auch der Fürther Landkreischef und dessen Mitarbeiter immer wieder Grundstücksverhandlungen führen, die sich jahrelang hinziehen und letzten Endes doch vergeblich sind. "Da müsste ein Eigentümer nur ein paar Quadratmeter von einem mehrere Hektar großen Areal für ein wichtiges Teilstück eines Radweges abgeben, aber er weigert sich entweder standhaft oder fordert einen überzogenen Preis", erzählt Dießl, der als AGFK-Vorsitzender auch von vielen Kollegen immer wieder solche Geschichten zu hören bekommt.

Der CSU-Politiker begrüßt denn auch die Entscheidung seiner Partei, ein bayerisches Radgesetz auf den Weg zu bringen, und auch der ADFC Bayern ist hoch erfreut über diesen Sinneswandel, den der CSU-Kreisverband Dachau mit einem entsprechenden Antrag beim jüngsten Parteitag ausgelöst hatte. "Wir brauchen eine gesetzliche Grundlage, sonst hängt die konkrete Umsetzung des ,Radverkehrsprogramms 2025‘ viel zu sehr von dem Willen der jeweiligen Kommune oder des jeweiligen Landkreises und von der Rad-Affinität der jeweiligen politischen Entscheidungsträger ab", erklärt ADFC-Sprecherin Laura Ganswindt.

Anteil des Radverkehrs soll sich verdoppeln

Zur Erklärung: Das besagte Radverkehrsprogramm der Bayerischen Staatsregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen im Freistaat bis zum Jahr 2025 nahezu zu verdoppeln – von derzeit rund elf auf 20 Prozent.

Zumindest Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) sieht Bayern hier auf einem guten Weg. "Wir haben mit unserer Radverkehrsförderung den Nerv der Zeit getroffen", frohlockte Reichhart angesichts der vor kurzem präsentierten Ergebnisse einer bundesweiten Studie.

Demnach schwingt sich fast die Hälfte der Bayern regelmäßig auf das Radl. 47 Prozent benutzen es mehrmals pro Woche, womit der Freistaat leicht über dem Bundesschnitt von 44 Prozent liegt. 43 Prozent der Befragten aus Bayern möchten das Fahrrad als Verkehrsmittel in Zukunft häufiger nutzen, 56 Prozent wünschen sich den Bau von noch mehr Radwegen.

Landkreise arbeiten zusammen

Nicht nur im Landkreis Forchheim, sondern auch in vielen anderen Ecken der Metropolregion Nürnberg haben die Verantwortlichen dem Wunsch nach einer fahrradfreundlicheren Infrastruktur mit ehrgeizigen Projekten Rechnung getragen. Der Landkreis Neustadt/Aisch- Bad Windsheim zum Beispiel hat sich für ein besonderes Radwegekonzept mit sieben Kommunen des Nachbar-Landkreises Erlangen-Höchstadt zusammengetan. Insgesamt 1200 Kilometer Radwege wurden dabei seit 2016 zusammengeführt, über 6000 neue Wegweiser in den vergangenen Wochen aufgestellt. In Nürnberg ist vor knapp drei Wochen die erste von zwölf Fahrradstraßen fertig geworden.

Und doch hakt es immer wieder an entscheidenden Stellen. Etwa im Kreis Nürnberger Land, wo Anwohner, Radtouristen und Umweltaktivisten seit Jahren auf die Schließung einer Radwege-Lücke zwischen Altdorf und Winn warten. Über 15 Jahre lang kämpft der engagierte Bürger Adolf Hirmke schon für dieses Projekt und nutzt Bürgerversammlungen und Bürgerfragestunden, um Politik und Behörden von seinem Ansinnen zu überzeugen. "Adolf, so alt wirst du net, dass du den Fahrradweg noch erlebst", sagen manche Bekannte, wenn der 81-Jährige wieder mal nachhakt. Immerhin: Ende des Jahres will das Staatliche Bauamt endlich einen Vorentwurf präsentieren.

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