Geheimer Gang unter Nürnbergs Altstadt jetzt begehbar

23.3.2018, 14:30 Uhr
Klaustrophobie sollte man bei der Führung durch die engen Gänge nicht haben.

© Horst Linke Klaustrophobie sollte man bei der Führung durch die engen Gänge nicht haben.

Kalte Luft zieht durch den Gang, der unterhalb des Tiergärtnertors liegt. Der ist fünf Meter hoch und drei Meter breit, oben läuft er im spitzen Bogen zu, wie die Fenster und Gewölbe in gotischen Kirchen. Der Gang ist Teil der Bastion, die anno 1545 für 150.000 Gulden (für 150 Gulden bekam man ein Handwerkerhaus in der Altstadt) fertiggestellt wurde und einen Angriff aus dem Norden auf die Nürnberger Burg und ihre Altstadt vereiteln sollte. "Die Anlage hier unten ist für sehr viel Personal ausgelegt", erklärt Historiker Martin Winter vom Förderverein Nürnberger Felsengänge.

Hier unten hätten im Ernstfall kleinere Geschütze an den Schießscharten in Stellung gebracht werden müssen. Der eingangs erwähnte Luftzug hat seinen Sinn: Schwarzpulver, das gezündet wird, verursacht dichten Qualm. Dieser kann so abziehen.

Ein weiterer Stollen endet abrupt an einer Wand. Dahinter geht es hinunter in den Festungsgraben am Tiergärtnertor. Die Mauer war absichtlich so konstruiert, dass sie mit viel Kraft für einen Gegenangriff nach außen gedrückt werden konnte - falls Feinde im Graben gewesen wären. 

Keine Chance den Rammböcken

In der Architektur der Bastion, die unter der Leitung des maltesischen Ingenieurs Antonio Falzon entstand, stecken rätselhafte Details. Sie sind aus taktischen Gründen so angelegt. So verläuft eine Kurve in dem unterirdischen Gang. Winter erklärt: "Dadurch konnte ein Feind mit Kanonen nicht direkt in die Stadt feuern. Außerdem hätte man mit einem Rammbock durch die Kurve keine Chance."

Im Wehrstollen unter der Bastion führt eine Treppe nach unten. Dort wird es wärmer, die Temperatur steigt auf rund 10 Grad an. Die Luft ist aber auch feucht. Die Decke wird immer niedriger, hin und wieder ist ein Plätschern zu hören. In dem weit verzweigten Gänge-Netz unter der Altstadt sind Teile der historischen Lochwasserleitung erhalten geblieben. Benannt sind sie nach den Lochgefängnissen im Rathaus, wo einst die Leitung endete.

"Die Länge der Lochwasserleitung betrug ursprünglich etwa 970 Meter, davon sind dort unten rund 300 Meter", sagt Winter. Drei Äste der Leitung treffen hier unten aufeinander. Das Wasser hat Trinkwasserqualität. 

Geheime Leitung

Nur wenige wussten von der Lochwasserleitung, Pläne gibt es keine. In einem Dokument aus dem Jahre 1449 wird sie das erste Mal erwähnt. Auch das hat etwas mit Kriegsführung zu tun. Man wollte vermeiden, dass der Feind von der Leitung erfuhr. Dahinter steckte auch die Angst, dass das Trinkwasser vergiftet werden könnte.

Die Stollen im Untergrund wurden auch während des Zweiten Weltkrieges genutzt. Das verrät ein altes, rostiges Notstromaggregat. Ab 1943 schafften die Nazis mit der Zunahme der Bombardements auf Nürnberg Kunstschätze der Stadt hier runter. In dieser Zeit wurde der Durchbruch von der Lochwasserleitung in den Kunstbunker geschaffen. Somit war eine autarke Wasserversorgung zur Kühlung der Stromaggregate möglich, falls Luftangriffe die Energieversorgung lahmlegten. Die unterirdische Infrastruktur wurde geheim gehalten. Denn Kunstdiebe hätten über die Lochwasserleitung in den mit Kunstschätzen voll gepackten ehemaligen Bierkeller gelangen können.

Die Teilnehmerzahl bei Führungen ist auf zwölf Personen beschränkt. Unter der Woche finden Rundgänge täglich um 15.15 Uhr statt. Samstag und Sonntag jeweils um 11.15, 15.15 und 16.15 Uhr. Treffpunkt: Eingang des historischen Kunstbunkers, Obere Schmiedgasse 52. Dauer: rund 90 Minuten. Infos im Netz: www.felsengaenge-nuernberg.de

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