Ein pädophiler „Milchbubi“?

21.10.2015, 15:46 Uhr

Es fiel das Wort vom „Milchbubi“. Äußerlich trifft die Beschreibung des Angeklagten zu: Er ist gerade mal volljährig, schmal, schüchtern, in sich gekehrt und äußert sich kaum zum Vorwurf. Der lautet: Sexueller Missbrauch von Kindern in sechs Fällen. Sechs, die zur Anklage kamen, zugestanden hat der junge Mann aus Roth die Kontaktaufnahme zu etwa 20 Kindern.

Zugegeben hat er auch die Vorwürfe. In Chats mit Jungen, alle zwischen neun und 13 Jahre alt, hat er sie aufgefordert, ihm Fotos von ihrem Penis zu schicken oder Videos von sich beim Onanieren. Teilweise hat er Fotos und Videos von sich selbst versandt. Deutlich weiter ist er gegangen, als er sich mit einem 13-Jährigen in Frankfurt verabredete und von ihm im Wald für 35 Euro und zwei Schachteln Zigaretten Oralsex „kaufte“. So nennt es Friederike Vilmar, die Anwältin der Eltern des 13-Jährigen, die vor dem Schöffengericht Nebenkläger sind. „Der Junge hat sich prostituiert gefühlt“, wirft sie dem Angeklagten vor.

Der spricht auf die Frage von Staatsanwalt Hans Ellrott „Warum machen Sie so was?“ sehr leise und kurz von seiner sexuellen „Unsicherheit damals“ und dass er sich das „bei Älteren nicht getraut hätte“. Der Staatsanwalt insistiert: „Wenn das der Reiz für Sie ist, so was Junges zu sehen, dann müssen Sie sich therapieren lassen, sonst vergeben Sie alle Chancen in Ihrem Leben.“

Für die Jugendgerichtshilfe erklärt Michael Behringer, dass der „introvertierte“ Angeklagte ein Spätentwickler sei, dem es an Menschenkenntnis und Lebenserfahrung fehle. So sei er im Glauben an die Beziehung zu einem älteren Mann „über Nacht“ nach Norddeutschland umgezogen. Dort habe sich der Partner jedoch als „Phantom“ herausgestellt. Stattdessen hätten ihn zwei andere Männer „sexuell und finanziell ausgenutzt“, sodass der Angeklagte heute zudem auf 6000 Euro Schulden sitze.

Zur Sprache kommt aber auch, dass der Angeklagte bereits Ende 2012 als 15-jähriger Lehrling einem elfjährigen fremden Buben auf die Toilette gefolgt sei und ihn aufgefordert habe, sich zu entblößen. In panischer Angst war der Bub aus der Toilette geflohen. Das Verfahren wurde eingestellt – mit Therapie-Auflage.

„Die Therapie war gerade zu Ende, da gingen die Straftaten los“, stellt Richter Reinhard Hader die Chronologie klar. „Aber in der Therapie muss Ihre sexuelle Ausrichtung doch schon Thema gewesen sein!“

Für Friederike Vilmar ist es zwar „beruhigend“, dass der Angeklagte die Taten gestanden hat. Dass er sich kurz vor der Verhandlung schriftlich entschuldigt, nehmen sie und die Eltern des Buben aber nicht an: „Es gibt Dinge, die sind nicht zu entschuldigen.“ Der missbrauchte Junge leide bis heute unter den Folgen. „Daran sind Sie schuld“, so Vilmar.

Die kargen Antworten des jungen Mannes hinterließen außerdem den „bitteren Beigeschmack“, dass er trotz langer Therapie „nichts reflektiert“ habe. „Wahllos“ habe er die Kinder für seine Spiele ausgesucht, habe „hartnäckig“ und „impertinent“ gedrungen. Und beim Treffen mit dem 13-Jährigen habe er „ziemlich abgekocht“ mit Geschenk und Belohnung agiert.

Die Nebenklagevertreterin plädiert wie Staatsanwalt Ellrott für eineinhalb Jahre Jugendstrafe, aber mit einer Vorbewährung mit sechsmonatiger Beobachtung und – weitergehend als Ellrott — für zwei statt einer Woche Dauerarrest.

Zwar betont Verteidiger Gerhard Hefele mehrmals: „Ich weiß nicht, ob man das so hoch hängen muss“, da doch manche Opfer schon fast 14 und der Angeklagte gerade mal drei Jahre älter gewesen sei. Aber auch er gesteht zu, dass ein Jahr Jugendstrafe „das richtige Maß“ sei.

Zum Schluss findet der junge Mann doch noch Worte, dass er „für das, was ich verbrochen habe, geradestehen“ und „mein Leben neu und geradlinig starten will“. Die Chance dazu gibt ihm der Richter, indem er die 15 Monate Strafe zur Bewährung aussetzt, ihm zwei Wochen Jugendarrest als „Schock“, 100 Arbeitsstunden sowie die Verfahrenskosten aufbrummt. Für zwei Jahre muss der 18-Jährige in der Sexualambulanz oder bei einem Therapeuten eine Therapie absolvieren. „Das Wichtigste ist aber“, so Hader, „dass Sie sich ernsthaft damit auseinandersetzen.“ Und: „Im Knast sind Kinderschänder auf dem untersten Level.“

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