Sensible Moderation und interessante Einblicke

6.7.2011, 16:00 Uhr
Sensible Moderation und interessante Einblicke

© Gabi Pfeiffer

„Das Leben ist voller Überraschungen, je offener man ist, desto besser ist man.“ Im Film sagt das einer der 38 Senioren, die mit zehn Alleinerziehenden und ihren Kindern unter ein Dach gezogen sind. Das Experiment „Anders wohnen“ haben Julia Thomas und Thomas Steigerwald von der Medienpraxis e.V. aus Nürnberg anderthalb Jahre lang begleitet. Sie haben Bewohner interviewt, den Flurfunk belauscht, waren bei Versammlungen und mit auf Informationsreise in Regensburg — vor allem aber haben sie sehr genau hingeschaut. Was denken, wie fühlen und erleben die Menschen ihre neue Wohnform?

Die BLM-Jury zeichnet das mit einem Telly-Fernsehpreis aus: „Sie haben sehr genau gezeigt, wo Konflikte liegen, aber es gab kein Gut und kein Böse.“ Stattdessen bemerkenswert offene Blicke in die Gesichter und eine sensible Moderation. Trotz und weil das Projekt so aufwendig war: 45 mal 45 Minuten Material hat das Fernsehteam, das sein Studio am Fürther Stadtpark hat, gesammelt und auf 40 Minuten komprimiert. In drei Teilen wird der Film an den nächsten drei Sonntagen wiederholt. (18.15, 20.15 und 22.15 Uhr auf dem Kanal von Frankenfernsehen.)

Die ausgezeichneten Beiträge sind alles andere als flapsig und oberflächlich, sie beschäftigen sich mit Armut (Leben von Hartz-IV-Zuwendungen im Selbstversuch), Behinderung (Wie lebt eine Familie mit schwerbehinderter Tochter?) und Krankheit.

„Music is a doctor“ hat Christoph Lefherz, Redakteur der Evangelischen Funk-Agentur, seinen prämierten Radio-Beitrag über den Liedermacher Wolfgang Buck genannt. Der Sänger und Pfarrer hatte eine Depression und erzählt, wie er sich mit Hilfe der Musik wieder hochgerappelt hat. Nicht nur das. Der fränkisch-herzhafte Buck greift bei der Preisverleihung zur Gitarre. „Rutsch mir den Buckel roo“ singt er als Gruß an allzu unverschämte Wünsche.

Wie grausam die Welt sein kann, zeigt Fukushima. Dass die Katastrophe in Japan auch ein Thema für die Grundschule sein kann, haben Drittklässler der Georg-Ledebour-Schule in Nürnberg-Langwasser bewiesen. Ihr nachdenklicher, hörenswerter Beitrag — sie stellen Fragen und schildern ihre Ängste — wird mit dem Schulradiopreis ausgezeichnet. Zusammen mit Lehrer Christoph Weidmann stehen sie strahlend auf der Bühne.

Wer hätte das vor 25 Jahren gedacht?, fragt Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly. Er erinnert an den Start des privaten Rundfunks. Viele hätten damals den Untergang der Kultur vorhergesehen. Doch die Kulturpessimisten seien still geworden, sagt Maly: „Wenn auf Vielfalt geachtet wird, dann sind die Privaten eine gute Ergänzung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.“