Club: Die Kunst aus dem Nichts unbequem zu werden

19.8.2013, 10:28 Uhr
Durchsetzungsstark: Daniel Ginczek bereitete das Nürnberger Führungstor mit einer veritablen Energieleistung vor.

© Sportfoto Zink / DaMa Durchsetzungsstark: Daniel Ginczek bereitete das Nürnberger Führungstor mit einer veritablen Energieleistung vor.

Der Club ist angekommen in der Realität, eigentlich war er da nie weg. Zwei Punkte aus zwei Spielen, das ist ordentlich, entfacht anderseits aber auch keine Euphorie. Europacup-Gesänge schallen zwar weiter durch die Nordkurve, doch so recht scheint die Mehrzahl der Fans nicht wirklich daran zu glauben.

Die beiden bisherigen Ligaspielen zeigten nämlich eindeutig, dass weder Schwarzmalerei noch überbordende Erwartungshaltung angebracht sind. Dafür wechseln sich in der Mannschaft von Michael Wiesinger viel zu oft Licht und Schatten ab.

Gegen die Hertha aus Berlin hatte der Club das Spiel lange im Griff. Stellungsfehler von Berkay Dabanli und Markus Feulner wussten die in der Vorwoche noch torhungrigen Berliner nicht zu bestrafen, viel mehr Gefahr bestand für das von Schäfer gehütete Gehäuse nicht. Nach vorne lief anderseits nicht viel, der probierte Hochgeschwindigkeitsfußball blieb zu oft in den Kinderschuhen stecken.

Gerade dann braucht es Spieler mit Durchsetzungsvermögen. Einen wie Daniel Ginczek, der dem FCN sehr gut tut, da er Situationen kreiert wie jene beim 1:0. Im vielbeinigen Kuddelmuddel des Mittelfelds tankte sich der neue Stürmer robust durch, um danach das Auge und die Präzision für ein messerscharfes Zuspiel auf Teamkamerad Josip Drmic zu haben. Kein Sahne-Spielzug, kein Filigranstück, aber für den Gegner verdammt unbequem, wenn diese Nürnberger aus dem Bermudadreieck des Mittelfelds solche Befreiungsaktionen starten können.

Kein ordentlicher Zugriff

Bequem wird es für die Gegner, wenn sich der Club als vornehm-zurückhaltender Beobachter denn als aggressiver Störenfried präsentiert. Über weite Strecken der zweiten Hälfte geschah aber genau das. Im Defensivspiel lief der Club meist neben- oder hinterher, anstatt einen ordentlichen Zugriff auf die Gäste zu bekommen. Die aus Nürnberger Sicht etwas unausgewogene Kartenverteilung des unsicher leitenden Schiedsrichters tat sein Übriges. Vielleicht auch deshalb meinte Ginczek hinterher: "Der Schiedsrichter hatte einige Fehlentscheidungen. Das hat uns schon gehandicapt und aus dem Konzept gebracht." Über weite Strecken waren immerhin drei von vier FCN-Abwehrspielern mit einer Gelben Karten vorbelastet.

Natürlich hat die Fußballwelt schon unberechtigtere Elfmeter gesehen oder klarere Tätlichkeiten. Dass aber Alexander Baumjohann erst Javier Pinola munter ins Gesicht fassen darf und anschließend für ein Tackling einen Strafstoß bekommt, wo doch Pinola klar erkennbar den Ball gespielt hat, ist nicht gerade ein Indiz dafür, dass der Club und Glücksgöttin Fortuna am Sonntag ein Techtelmechtel eingegangen wären. Noch dazu hatte Nilsson-Vertreter Berkay Dabanli bei 1:1 mehr Pech denn wirklich Schuld, als ein von ihm abgefälschter Allagui-Schuss ins Tor hoppelte.

"Resignation" ist gestrichen

1:2, die erste Heimniederlage der Saison war also perfekt. Nein! Dieser Club hat naturgemäß seine Schwächen, bietet Anlass für dosierte jedoch nicht überzogene Kritik. Den Begriff "Resignation" hat Michael Wiesinger jedoch erfolgreich aus dem Nürnberger Wörterbuch gestrichen. Eine Woche zuvor war ein 0:2-Rückstand in Hoffenheim die Initialzündung zur Aufholjagd, gegen die Hertha riss ein individuelles Glanzlicht von Hiroshi Kiyotake den Club aus dem ersten leisen Anflug von Depression. Mit einer starken Einzelaktion aus einer holprigen Partie noch etwas Zählbares mitzunehmen - auch das ist eine scharfe Waffe, die der Club in seinem Arsenal führt.

Gleichnamigen Verein aus London wird der FCN voraussichtlich die nächsten Jahre nicht zum Pflichtspiel treffen, auch wenn die Fans singen: "Träumst du nicht auch von Europa?". Der Realismus der Verantwortlichen, mit harter Arbeit Nürnberg ein weiteres Jahr Erstliga-Fußball zu schenken, ist da um einiges erfolgsversprechender als überzogenen Erwartungshaltungen nachzulaufen.

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