Darum schoss Geis den zweiten Strafstoß nicht

21.10.2019, 05:50 Uhr
Darum schoss Geis den zweiten Strafstoß nicht

© Sportfoto Zink / WoZi

Während Aues Matchwinner Martin Männel unter einem Berg violett gekleideter Leiber schier erdrückt zu werden drohte, stand Michael Frey einfach nur da und starrte ins Leere. Um ihn herum sanken Kollegen konsterniert zu Boden oder schlugen die Hände vors Gesicht. Der finale Fehlschuss des Schweizers bedeutete die aus Nürnberger Sicht so gar nicht amüsante Pointe eines absurden Spektakels, von dem Trainer Damir Canadi irgendwann noch seinen Enkeln erzählen möchte - "als ein Highlight meiner Karriere, wenn auch mit einem negativen Ergebnis".

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Playstation und ein fataler Verzicht  

In der Mixed Zone versuchten sich derweil die Club-Profis daran, das soeben Erlebte irgendwie in Worte zu fassen. Robin Hack fand vielleicht den treffendsten Ansatz. "Wie bei FIFA an der Spielkonsole" hatte sich der U21-Nationalspieler gefühlt, und in der Tat erinnerte das wilde Treiben auf dem Rasen des schmucken Erzgebirgsstadions eher an eine etwas realitätsfern programmierte Fußballsimulation. Wobei kein Playstation-Zocker wohl jemals auf die Idee gekommen wäre, beim Last-Minute-Strafstoß seinen sichersten Schützen vom Punkt abzuziehen. Und eigentlich hatte sich Johannes Geis den Ball ja auch schon wie zuvor in der 92. Minute zurechtgelegt, ehe er dann doch noch dem Kollegen Frey den Vortritt ließ. Mit bekannten Folgen.

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"Michi hat sich gut gefühlt" 

"Ich weiß, wie wichtig es für einen Stürmer ist, zu treffen. Michi hat sich gut gefühlt, da bin ich dann kein Egoist", erklärte Nürnbergs Top-Torjäger, der zuvor bereits seine Saisontreffer vier und fünf erzielt hatte, die noble, aber in dieser Situation vielleicht etwas deplatzierte Geste. Natürlich wollte Geis der tragischen Figur des Abends danach ebenso wenig Vorwürfe machen wie sein Trainer: "Wenn sich Frey gut fühlt, können sie das so entscheiden. Beide haben die Qualität", gab sich Canadi diplomatisch.

Immerhin hatte jener Frey ja auch das 1:0 erzielt und den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 3:3 herausgeholt. Und für die Saison-Gegentreffer 15 bis 18 zeichneten dann doch andere verantwortlich - oder zumindest ein fragwürdiges kollektives Defensivverhalten. "Wir waren bis zur Roten Karte die klar bessere Mannschaft, und aus dem Nichts ist Aue wieder im Spiel", ärgerte sich Keeper Andreas Lukse, der bei seiner Zweitliga-Premiere eine insgesamt solide Leistung bot, aber dennoch viermal hinter sich greifen musste. 

Besonders bitter: das 3:4 durch Florian Krüger. "Das war aus meiner Position klar abseits. Dafür gibt es Video", haderte Canadi. Nun hatte man im Kölner Keller zwar auch diese strittige Szene analysiert, dabei jedoch nur untersucht, ob ein Handspiel von Pascal Testroet vorausgegangen war. Trotzdem hält Canadi den Videobeweis prinzipiell für eine gute Sache, "weil er den Fußball einfach reiner macht". Kapitän Hanno Behrens hingegen findet die permanenten Unterbrechungen "supernervig. Man weiß nie, ob man sich freuen kann oder nicht."

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"Jetzt muss man die Jungs wieder aufklauben" 

Am Freitag wussten sie es zumindest nach 100 anarchischen Minuten, die die nette Serie von sechs ungeschlagenen Spielen reißen ließen. "Wenn wir hier mit einem 4:4 rausgehen, gibt das natürlich einen unglaublichen Kick. Jetzt muss man die Jungs wieder aufklauben und neu motivieren", räumte Canadi ein. Allzu lange soll die Frustbewältigung aber nicht dauern. "Das Schöne am Fußball ist, dass wir - anders als Marathonläufer - nicht sechs Monate auf den nächsten Wettkampf warten müssen und es in ein paar Tagen besser machen können", blickte Canadi bereits auf das nächste Heimspiel am Sonntag gegen Regensburg. "Diese Niederlage wirft uns nicht zurück", versprach auch Lukse, während Geis betonte: "Die Mannschaft lebt, ist voll da. Jetzt können wir eine neue Serie mit ein paar mehr Siegen starten." 

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Und zumindest in einer Angelegenheit durfte sich der Club ja auch im Erzgebirge doch noch als Gewinner fühlen. Nach der Partie hatte Männel heimischen Journalisten von angeblichen verbalen Ausrutschern einiger Nürnberger Profis gegenüber Angestellten des Teamhotels in Bad Schlema berichtet und dies als "zusätzliche Motivation" für seine Elf bewertet. Der Club dementierte solche Vorwürfe umgehend, auch die Hotelleitung zeigte sich auf Nachfrage der Bild-Zeitung erstaunt und lobte die Gäste aus Franken sogar für deren tadelloses Verhalten. Männel blieb nichts anderes übrig, als reumütig zurückzurudern: "Ich habe den Eindruck erweckt, dass die Nürnberger Mannschaft ein undiszipliniertes Team sei. Das war nicht meine Absicht und aus der Emotion heraus", erklärte der Keeper und entschuldigte sich zudem via Textnachricht an Enrico Valentini bei den diskreditierten Berufskollegen. 

 

 

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