Der SpVgg-Konkurrent aus dem Glasscherbenviertel

11.3.2019, 06:00 Uhr
Der SpVgg-Konkurrent aus dem Glasscherbenviertel

© Repro: Robert Schönlein

Derby? Das meint für den Fürther nur eines: das gleichermaßen legendäre wie berüchtigte Frankenderby. Doch es gab eine Zeit im Fürther Fußball, da waren noch andere Duelle zwischen Lokalrivalen angesagt. Besonders ein Verein spielte im fränkischen Fußballkonzert mit: der VfR Fürth. Der Verein war mit einem Knall entstanden. Die Fußballer vom MTV Fürth hatten sich mit ihrem Hauptverein verkracht und spalteten sich im Rahmen der "Reinlichen Scheidung" von den Turnern ab. Doppelmitgliedschaften beim DFB und dem Deutschen Turnerverband waren nicht mehr möglich.

Von einem Spieltag auf den anderen stand ab dem 1. März 1924 statt dem MTV Fürth der VfR Fürth in der Ergebnisliste. Und die liest sich vorzeigbar. Von 1924 bis zur Gründung der Gauligen im Jahr 1933 spielte der VfR in der damals höchstmöglichen Spielklasse, der Bezirksliga Bayern. Nur 1925/26 folgte der Sturz eine Liga tiefer in die Kreisliga Nordbayern, gefolgt vom sofortigen Wiederaufstieg.

Ihre Heimat hatten die Fußballer da schon gefunden: die vom Bayerischen Heer 1914 errichtete Pferderennbahn in der Magazinstraße, heute Heimat des ASV Fürth. Das Gelände diente der bayerischen Kavallerie bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Übungszwecken. Der Krieg ging verloren und das Übungsgelände mit der prächtigen, im englischen Stil errichteten Holztribüne, die bis heute allen Stürmen trotzte, lag brach.

Wie der Verein zu dem Grundstück kam, ist nicht ganz sicher. "Fest steht, dass das Gelände im Besitz der Hopfenhändler-Familie Sahlmann war. Hans Held, Vorsitzender des VfR, war ein Fürther Pferdemetzger", erzählt Robert Schönlein, dessen Uronkel Heinrich Schönlein beim VfR kickte und sogar eine Einladung zur Nationalmannschaft bekam - eine Verletzung aber verhinderte einen Einsatz.

Der SpVgg-Konkurrent aus dem Glasscherbenviertel

© Foto: Robert Schönlein

Vorstellbar, dass Pferdemetzger Held zumindest wusste, an welchen Knöpfen er drehen musste, um an das Grundstück zu gelangen. Die Männer vom VfR zogen dort schließlich das Feld ein und schütteten Ränge auf. So wurden damals Sportstätten errichtet. Am Ende fanden offiziell 5000 Zuschauer Platz, die eng an eng bis zum Spielfeldrand standen. Bei den großen Spielen mochten es auch gut 7000 Zuschauer gewesen sein, die die ehemalige Reitbahn bevölkerten.

Und die neue Sportstätte wurde gleich von Vereinen mit klangvollen Namen besucht. Von der SpVgg Fürth über den 1. FC Nürnberg bis hin zum aufstrebenden FC Bayern - sie alle waren zu Gast an der Magazinstraße. Von der Bundesliga war der Fußball damals noch weit entfernt. Die Bezirksliga diente der Qualifikation zur Süddeutschen Meisterschaft, über die man sich für die Deutsche Meisterschaft qualifizieren konnte.

Dem VfR war zwar weder das eine, noch das andere beschieden, doch durfte sich der Verein direkt mit den damals besten Vereinen Deutschlands messen. Die 20er-Jahre waren die goldene Zeit des fränkischen Fußballs, das Kleeblatt und der Club errangen zwischen 1920 und 1929 sieben Meisterschaften. Der Deutsche Meister machte dem Verein in der Magazinstraße fast jährlich die Aufwartung.

Dass die besten Spieler ihren Klub für einen attraktiveren verlassen, das gab es auch damals schon. Hans Neger, Torwart der Südstädter, wechselte nach dem Abstieg in die Kreisliga 1925 zur SpVgg Fürth und stand bei der Meisterschaft 1929 zwischen den Pfosten.

Es war eine männerbestimmte Fußballwelt, in der es um Ehre ging, in der Frotzeleien an der Tagesordnung waren - doch am Ende gab es andere Probleme, als sich mit den gegnerischen Fans einen Schlagabtausch zu liefern. Die Männer trugen Hüte und gingen am Nachmittag auf den Sportplatz, Frauen und Kinder sah man kaum im Stadion.

Die Rivalität zwischen den Rasensportlern und der SpVgg war höchstens freundschaftlicher Natur. Hier der neue Verein aus der Südstadt, dort der klangvolle und dekorierte Verein im Norden Fürths.

Sofern man in den 20er-Jahren von Professionalität des Fußballs reden kann, merkte man hier bereits einen Unterschied. Beim Kleeblatt lag der Fokus auf dem Fußball, beim VfR ging es geselliger zu. Maskenbälle oder "gesellige Zusammenkünfte" der Sänger im Lokal Kießling in der Hornschuchpromenade standen auf der Vereinstafel ("zahlreiches Erscheinen erwünscht").

Auch gesellschaftlich gab es Unterschiede. Während die SpVgg bürgerlich geprägt war, spielten beim VfR Männer aus allen Schichten. Das lag auch an der Umgebung. Die Gegend um die Kaiser-, Wald-, Ritter- und Balbiererstraße galt als Glasscherbenviertel - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Hofspiegelfabrik N. Wiederer hatte dort ihren Standort, zahlreiche Arbeiter wohnten in unmittelbarer Nähe. Der Weg zur Magazinstraße war ein kurzer.

Dass der VfR Fürth durchaus einen guten Namen hatte, zeigte die Einladung zum feierlichen Eröffnungsspiel des Grünwalder Stadions gegen 1860 München (ebenso gerade von ihrer Turn-Abteilung geschieden) am 10. Oktober 1926. Und die Fürther schenkten den Giesingern nichts. Mit 4:2 siegte der VfR im neuen Stadion und verhagelte den Löwen die Premiere.

Der Fußballverein war damals auch eine Möglichkeit, andere Länder zu sehen. Mehrmals war der Fürther Verein auf Auslandsreisen. Zu Pfingsten 1925, so schildert es Robert Schönlein, ging es in die französische Hauptstadt nach Paris. Nach zwei Erfolgen gegen die Gastgeber-Teams nahm der VfR sogar den Turniersieg mit auf die Heimreise.

Zwei Jahre später ging der VfR dann über Ostern auf große Fahrt ans westliche Ende Europas: in Portugal standen Partien gegen den klangvollen FC Porto (2:3) und gegen Vitoria Setubal (1:1) an. Selbst wenn keine Siege heraussprangen, es blieb ein großes Erlebnis für viele Männer, deren Alltag sich sonst in der Fabrik abspielte.

Doch all der internationale Glanz half dem VfR 1933 bei der Gründung der Gauligen nicht weiter. Nach der Ligenreform war kein Platz mehr in Bayerns höchster Liga für einen zweiten Fürther Verein. Sportlich hätte es zwar gereicht, doch wurde der in der Tabelle um einen Rang schlechtere Würzburger Fußballverein bevorzugt.

Die Folgen waren verheerend. Durch den Zwangsabstieg in die Kreisliga wechselten zahlreiche Spieler zum Lokalrivalen, der VfR Fürth verschwand in der Bedeutungslosigkeit. Das Geld fehlte, ebenso schwanden die Zuschauer und damit auch die Motivation. Drei Jahre später, am 22. September 1936, löste sich der Verein auf.

Sie kennen ebenfalls Fakten über einen alten Fürther Fußballverein oder haben selbst dort gespielt? Melden Sie sich per Mail an redaktion-fuerth@pressenetz.de oder telefonisch unter (09 11) 2 16 24 10. Beispiele sind unter anderem der FC Schneidig Fürth, der ESV Nürnberg-West Fürth, die Fürther Post- und Eisenbahnfußballer, der BSC Fürth-West oder Türk Gücü Fürth.

Wer Material oder Informationen über den VfR besitzt, kann sich per Mail an Robert Schönlein wenden: r.schoenlein@freenet.de

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