Kopfball und Kampf: Hack zeigt neue Qualitäten - und fehlt

6.10.2020, 15:26 Uhr
Robin Hack erzielte per Flugkopfball den Führungstreffer für den Club.

© Eibner-Pressefoto, Eibner-Pressefoto Robin Hack erzielte per Flugkopfball den Führungstreffer für den Club.

Am treffsichersten präsentierte sich am frühherbstlichen Montagabend beim Heimspiel des 1. FC Nürnberg gegen den SV Darmstadt 98 eigentlich die Stadion-Regie. Nach der unglücklichen, aber freilich nicht unverdienten Niederlage des ruhmreichen Altmeisters erklang im lichtgefluteten Max-Morlock-Stadion Tom Pettys Meisterwerk "Into the great wide open" - inklusive der Zeile "The future was wide open". Es dürfte wenige Lieder und noch weniger Zitate geben, die besser zu diesem Spiel passen würden: Nürnbergs chronisch ambitioniertem Lieblingsverein glückte auf heimischer Spielwiese der Traumstart, die Aussicht auf den Dreier stand gut – und wurde mit zunehmender Spieldauer zunichte gemacht. Aber von vorne.

"Wenn man es schafft, Darmstadt auf eine Seite zu lassen und du sie dazu zwingst, ins Zentrum zu spielen, kann man Bälle erobern. Immer dann, wenn wir es geschafft haben, wurde es gefährlich," analysierte Robert Klauß den Offensivvortrag seiner Mannen nach der Partie. Tatsächlich erfolgte der Führungstreffer in der dritten Spielminute genau nach diesem Muster: Nach einer Balleroberung von Johannes Geis im Mittelfeld leiten die Gastgeber den direkten Konter ein, Lohkemper spurtet mit Ball und Tempo am rechten Flügel entlang, die mitgelaufenen Offensivkräfte stellen den in dieser Situation komplett überforderten und machtlosen SVD-Verteidiger vor ein Dilemma, da Schleusener den Weg vor dem 20-Jährigen auf den kurzen Pfosten wählt, während Robin Hack in dessen Rücken einläuft – und somit den einsamen Abwehrmann zu einer Entscheidung zwingt, die dieser nur falsch treffen konnte und letztlich gar nicht traf.


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Besonders "Schleuses" Laufweg ist zwar clever, was sein Kollege allerdings mit der perfekten Flanke von Felix Lohkemper anfängt, ist schlichtweg herausragend: Hack setzt auf Höhe des Elfmeterpunkts in Manier von Namensvetter Robin van Persie zum Hechtsprung an und platziert den Ball per Kopf technisch höchst anspruchsvoll, wuchtig und präzise ins lange Eck.

Dass Hack ein guter Fußballer ist, ist kein Geheimnis mehr. Nicht in Nürnberg und auch nicht in Köln, das in der am Montag abgelaufenen Transferphase mehrmals eindringlich sein Interesse an dem U21-Juniorennationalspieler bekundet hatte, letztlich allerdings nicht im Ansatz bereit (oder im Stande) gewesen war die geforderte Ablösesumme zu zahlen. Die Enttäuschung, in der neuen Saison erneut für den Club in der 2. Bundesliga und nicht im weiß-roten Trikot mit dem Geißbock auf der Brust im deutschen Fußball-Oberhaus auflaufen zu können, musste Hack, wie Sportdirektor Dieter Hecking am Mikrofon bei Sky erklärte, erst verarbeiten.

Nach mitunter lustlosen Auftritten in der Vorbereitung scheint sich der 22-Jährige mittlerweile mit einem Verbleib am Valznerweiher abgefunden zu haben. Zumal dies – wie die Entwicklung der ehemaligen Nürnberger Talente, die sich innerhalb eines Jahres rudimentär durchgesetzt hatten und daraufhin (wie sich später herausstellte) voreilig den nächsten Karriereschritt wagten – nicht die schlechteste Option für den weiteren Karriereverlauf des verheißungsvollen Dribblers sein dürfte. Mit dem Ende des Deadline-Days ist somit der Deckel drauf, ein Abgang ist bis zum Winter vom Tisch, die schier unendliche Geschichte ist für wenige Monate zumindest unterbrochen.


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Also: Dass Hack ein guter Fußballer ist, ist ,wie erwähnt, kein Geheimnis. Dass die Qualitäten des technisch versierten und zugleich flinken Flügelspielers aber über sehenswerte Dribblings hinaus gehen können, dürfte den ein oder anderen Anhänger des 1. FC Nürnberg indes überraschen. Gemeint ist dabei jedoch nicht unbedingt der spektakuläre und herausragende Flugkopfball, sondern vielmehr das Engagement, das in jener Szene, aber auch über das gesamte Spiel hinweg zum Ausdruck kam: Als ackernder Unterstützer für Linksverteidiger Tim Handwerker fiel Robin Hack zwar noch immer nicht auf. Dennoch agierte er über das gesamte Spiel bemüht, emsig im Anlaufen, wenngleich er bis auf wenige Einzelaktionen, darunter ein etwas unorthodoxer Abschluss per Außenrist in einer ursprünglich aussichtsreichen Umschaltsituation nach 23 Minuten, und seinen Treffer überwiegend unauffällig bleiben sollte.

Entgegen des gemeinen Rufs als zweikampfschwaches und arrogant-lauffaules Genie – was sich nach Ansicht des ein oder anderen alteingesessenen Fußballromantikers allein schon an den gewöhnlich auffällig weit über die Knie gezogen Stutzen erkennen lässt - zeigte sich der als linker Flügelzehner aufgebotene Hack einsatzbereit und willig. Durchaus verwunderlich, aber zugleich hervorhebenswert, ist nämlich nicht nur seine Zweikampfquote von 78 Prozent - Spitzenwert an diesem Abend in der Nürnberger Mannschaft - sondern auch seine Laufleistung: Der gebürtige Pforzheimer spulte ein beachtliches Pensum von 11,77 Kilometern ab, das einzig von Kapitän Enrico Valentini (11,79) und Darmstadts Tobias Kempe (11,80) minimal überboten wurde. Auch in der Gesamtstatistik zählt Hack mannschaftsintern zu den laufstärksten Spielern, rechnet man die gelaufenen Kilometer in Relation zur Einsatzzeit, rangiert der Flügelzehner (11,32 Kilometer pro 90 Minuten) sogar vor Dauerbrenner Valentini (11,32).

Belohnen konnte sich der größtenteils wirkungslose Hack für den betriebenen Aufwand nicht. Tragisch wird der Auftritt seiner Person an jedem Abend dann allerdings in der Nachspielzeit, als sein unnötiges Foulspiel im Halbfeld den Siegtreffer der Südhessen einleitet. Zudem erlitt er, wie sich am Folgetag herausstellen sollte, eine Gehirnerschütterung, die ihn von der Länderspielreise mit der deutschen U21 abhält. Dass Hack überhaupt erneut für die Juniorenauswahl nominiert wurde, überrascht zwar nicht, stand aber (zumindest öffentlich) nach einem schwachen Auftritt gegen Moldau in der Diskussion. Damals, Anfang September, reiste Hack nach dem FCN-Testspiel gegen Türkgücü zur Selektion. Seine Leistung damals: ebenso enttäuschend wie lustlos.

Dass Robin Hack, dem der schnelle Aufschwung – wie viele Anhänger vermuteten – etwas zu Kopf gestiegen sein soll, rund einen Monat später zu einem der engagiertesten Nürnberger zählen sollte, schien damals schwer vorstellbar. Ebenso wie die Tatsache, dass er rund einen Monat später überhaupt noch für Nürnberg spielen sollte. Die (vielleicht nicht unbedingt freiwillige) Entscheidung zur kontinuierliche Entwicklung am Valznerweiher, zur Bestätigung der Leistungen der Vorsaison und zur bodenständigen und behutsamen Karriereplanung könnte sich aber doch als richtig und wichtig erweisen.


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Zurück zu Tom Petty: Zumindest setzt er in seinem verschmitzten, fidelen und zugleich melancholischen Song mit der Figur Eddie Rebel, die eben den schnellen Erfolg in der Elite ihrer Branche sucht, sie kurzfristig findet und daran zerbricht, ein mahnendes Beispiel für die andere Option: Der frühere US-amerikanische Musiker erzählt die Geschichte eines Jungen vom Land, der eine große Karriere im noch größeren Hollywood startet und später an seiner Arroganz scheitert. So treffsicher ist die Stadion-Regie also doch nicht. Zumindest hofft man in Nürnberg bezogen auf sein wohl größtes Talent Robin Hack, das am Valznerweiher gerne noch etwas reifen darf, bevor es losgeht, into the great wide open.

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