Viele Chancen, wenig Punkte: Das ist Club-Gegner Darmstadt

6.2.2021, 05:56 Uhr
Anfällig in der Schlussphase: Die Darmstädter Defensive um Lars Lukas Mai musste zuletzt in Regensburg in der 97. Minute den Ausgleich hinnehmen.

© Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink Anfällig in der Schlussphase: Die Darmstädter Defensive um Lars Lukas Mai musste zuletzt in Regensburg in der 97. Minute den Ausgleich hinnehmen.

Wie war das Hinspiel?

Zwei Führungen brachte der 1. FC Nürnberg im Hinspiel vor knapp 6700 Zuschauern nicht ins Ziel. Dabei ging der Club früh in Führung und schlug nach Dursuns Ausgleich schnell zurück. Am Ende aber setzte sich die spielerische Klasse der Lilien durch, auch wenn der Siegtreffer zum 3:2 spät und nach einem Standard fiel. Über weite Strecken des Spiels dominierten die Darmstädter das Geschehen. Nicht nur, dass sie fast doppelt so lang den Ball in den eigenen Reihen hielten. Sie kamen auch häufiger in den gegnerischen Strafraum und schossen häufiger aufs Tor.

Der Club hingegen war höchst effizient vor dem gegnerischen Tor, Hack und Lohkemper trafen mit den einzigen guten Gelegenheiten. Dass diese beiden Treffer nicht reichten, lag auch daran, dass Darmstadt es in der zweiten Halbzeit schaffte, die eigene Kreativität noch besser auf den Platz zu bringen. Die Wucht von acht Schlüsselpässen war einfach zu viel für die Club-Defensive.

Was ist seitdem passiert?

Darmstadt konnte den guten Eindruck spielerisch zwar aufrechterhalten und ist weiterhin die Mannschaft, die sich die meisten Chancen pro Spiel erarbeitet, die Ergebnisse blieben aber aus. Statt um den Aufstieg, wie man nach dem starken Auftritt in Nürnberg hätte vermuten können, rutschte Darmstadt in den Tabellenkeller, steht auch jetzt nur zwei Punkte vor dem FCN. Viel hat damit zu tun, dass Markus Anfang ein Problem einholte, das er bisher auf all seinen Trainerstationen hatte: die defensive Organisation.

Nach expected Goals sind die Lilien nach Aue und St. Pauli die drittanfälligste Defensive. Ihre 34 Gegentreffer entsprechen fast genau dem statistischen Erwartungswert. Besonders auffällig: Sowohl nach tatsächlichen als auch nach statistisch erwartbaren Gegentoren liegt Darmstadt in der Schlussviertelstunde – plus Nachspielzeit – auf Rang 17. Ob die Mannschaft hier mit Konzentrationsschwächen dem intensiven Spiel von Anfang Tribut zollen muss?

Phasenweise stellte Markus Anfang die Grundordnung von einem 4-1-4-1, das er bereits in seiner Zeit in Kiel präferierte, auf ein 3-5-2 um. Die Defensivleistungen wurden deshalb aber nicht besser. Seit zwei Wochen spielt Darmstadt wieder im 4-1-4-1 und kam damit zu vier Punkten gegen Sandhausen und Regensburg, verlor gegen Kiel im DFB-Pokal erst im Elfmeterschießen. Zuvor hatte es gegen Bochum, Hannover, Heidenheim und Kiel vier Niederlagen in Serie gesetzt hatte.

Wie kann man sie knacken?

Mit ruhenden Bällen. 14 Gegentore nach Ecken, Freistößen, Einwürfen und Elfmetern sind Ligahöchstwert. Auf Rang zwei dieser Wertung folgt der FCN mit 13, was wiederum ein wenig Angst machen könnte, da Darmstadt mit 13 eigenen Toren aus derartigen Situationen auch auf Rang zwei in der Positivliste liegt. Gegen den Ball verteidigt Darmstadt die Standards aber tatsächlich oft schwach. In den letzten sechs Ligaspielen kassierten die Lilien immer ein Tor, das seinen Ausgangspunkt in einem Standard hatte.


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Das liegt zum Teil daran, dass Darmstadt eine weit unterdurchschnittliche Zweikampfquote in den Luftzweikämpfen hat. Diese konsequent auszunutzen kann eine Strategie sein, um die Lilien in der Defensive zu bedrängen. Eine andere Schwäche Darmstadts sind die Duelle auf der rechten Abwehrseite vor dem Strafraum. Das hängt teilweise damit zusammen, dass hier Nicolai Rapp als rechter Innenverteidiger der Dreierkette Probleme hatte.

Doch auch wenn der Siegtorschütze aus dem Hinspiel auf der Sechs spielt, verliert er im rechten Halbraum und rechten Teil des Zehnerraums relativ viele Duelle. Ein konsequentes Anlaufen kann also erfolgversprechend sein oder aber zu Fouls und damit Standards in aussichtsreichen Positionen führen.

Auf wen muss der Club aufpassen?

Im Hinspiel war Marvin Mehlem der Unterschiedsspieler, an guten Tagen sind die Schnittstellenpässe des 23-Jährigen ein stets Gefahr bringendes Mittel. In den letzten Wochen ragte jedoch noch ein anderer heraus, der im Hinspiel entscheidend war: Tobias Kempe. Der hatte im Hinspiel den Siegtreffer aufgelegt und ist mit insgesamt sieben Torvorlagen auf Rang vier der Liste der Vorlagengeber. Zusammen mit den acht Toren kommt er auf 15 Scorerpunkte und auch in der Addition von expected Goals und Assists gehört Kempe zur Ligaspitze (12,88 xA+xG; Platz drei hinter Ducksch und Terodde).

Dabei spielen sicherlich die Elfmeter, Ecken und Freistöße, die Kempe tritt und trifft eine Rolle. Es ändert aber nichts daran, dass er die Fähigkeit mitbringt, Schlüsselpässe zu spielen. Von diesen Abspielen, die zu Abschlüssen führen, spielt Kempe mehr als jeder andere in der zweiten Liga. Daraus ergibt sich auch, dass kein Zweitligaspieler mehr Chancen kreiert als der Ex-Nürnberger. Nach Hrgota (Fürth), Ducksch (Hannover) und Hofmann (KSC) ist Kempe auch der Spieler mit der höchsten Beteiligung an gefährlichen Angriffen.

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