Zengers Taktiktafel: Hier ist Club-Gegner Darmstadt schwach

3.10.2020, 10:48 Uhr
Nach dem Trainerwechsel erfindet sich der SV Darmstadt 98 unter Markus Anfang neu.

© Swen Pförtner, dpa Nach dem Trainerwechsel erfindet sich der SV Darmstadt 98 unter Markus Anfang neu.

Die Grundordnung…

…versucht Darmstadt derzeit noch einzuarbeiten. Mit dem Wechsel von Dimitrios Grammozis auf Markus Anfang soll sich bei den Lilien ein Kulturwechsel vollziehen. Während Darmstadt unter Grammozis vor allem in der Defensive stark war, unternahm mit Anfang nun ein Trainer, der für Offensive steht. Knapp 2,3 Tore pro Spiel erzielten Mannschaften von Markus Anfang (Kiel, Köln) in der 2. Bundesliga.

Bislang hatten Anfangs Teams dafür immer Probleme mit der Defensive, sorgten die für die eigenen Ansprüche zu vielen Gegentore für Missstimmung. Es wird daher interessant zu sehen, ob diese Probleme in einer Mannschaft nicht auftreten, die über längere Zeit defensiv stabil agierte und sich personell im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert hat.


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Was sich bereits abzeichnet, ist, dass Anfang – wie in Kiel und Köln über weite Strecken – in Sachen Formation auf ein 4-1-4-1 setzt. Allerdings musste Darmstadt im ersten Saisonspiel wegen einer Sperre auf der in dieser Formation so wichtigen Sechserposition im defensiven Mittelfeld auf die Stammkraft Victor Palsson verzichten und wird das wohl auch beim Gastspiel gegen den 1. FC Nürnberg tun müssen. Die Abstellungsperiode der Nationalmannschaften beginnt am Montag und Palsson soll zur isländischen Auswahl reisen.

Dass ein offensiv denkender Trainer wie Anfang ein 4-1-4-1 wählt, mag auf den ersten Blick etwas verwundern, da die Formation schnell zu einer Fixierung auf die Defensivarbeit führt. Die Formation verdichtet die Mitte und somit den Weg des Gegners zum Tor. Das gilt gerade wenn die zentralen Spieler in der Vierermittelfeldreihe nach hinten arbeiten oder defensiv denken. Die Anfangsphase des FCN unter Alois Schwartz war ein Beispiel dafür, wie ein 4-1-4-1 defensiv gedacht wurde, als im Zentrum mit Mühl, Behrens und Alushi drei – zu diesem Zeitpunkt – eher defensiv denkenden Spieler im Zentrum agierten.

Bei Anfang besteht diese Gefahr allerdings nicht. Auch in Darmstadt hat er mit Mehlem und Kempe in der Mittelfeldreihe zwei Spieler fürs Zentrum gefunden, die eher offensiv denken. Wahlweise unterstützen die beiden Dursun im Zentrum oder aber die beiden Außenspieler (Honsak und Skarke/Manu) lassen das 4-1-4-1 bei Ballbesitz zu einem 4-3-3 werden. Gerade der Einsatz des sehr offensiven Mehlem verhindert eines der Probleme des 4-1-4-1: So wird die einzige Sturmspitze nicht allein im Angriff gelassen und Bindung zum Mittelfeld entsteht.


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Die letzten Spiele…

…deuteten an, dass Anfang im Gegensatz zu seiner Zeit in Kiel und eher so wie in Köln eher auf flache Anspiele als auf hohe Bälle im Aufbau setzen wird. Das schnelle Umschalten und der direkte Zug zum Tor, der Versuch binnen weniger Sekunden nach Ballgewinn vor dem gegnerischen Tor zu landen, der prägt auch weiter Anfangs Stil. Im Gegensatz zu vielen anderen, die diese Variante wählen, setzt Anfang auf mehr Ballbesitz. Oft streuen seine Mannschaften Phasen der Ballkontrolle und des ruhigen Aufbaus ein, nur um dann plötzlich das Tempo zu wechseln.

Darmstadt hatte dementsprechend in den ersten drei Pflichtspielen auch Ballbesitzquoten von 60% (in Magdeburg, 3:2 n.V.), 68% (in Sandhausen, 2:3) und 59% (gegen Regensburg, 0:0). Die Ergebnisse in Klammern zeigen allerdings auch, warum die Quoten möglicherweise nicht völlig repräsentativ sind, sowohl in Magdeburg als auch in Sandhausen lief Darmstadt einem frühen Rückstand hinterher. Regensburg dagegen ist immer eine Mannschaft, die dem Gegner den Ball überlässt.

Die Schwächen …

…der Lilien legte Regensburg immer mal wieder offen. Mit der sehr physischen Gangart der Oberpfälzer taten sich die Hessen schwer. Schon Sandhausen foulte gegen Darmstadt recht häufig, so dass Darmstadt nach zwei Spieltagen das am häufigsten gefoulte Team der Liga ist – was natürlich noch keine große Aussagekraft hat, auch weil es gegen von jeher eher intensiv zweikämpfende Mannschaften ging. Es war den Lilien aber in beiden Spielen anzumerken, dass sie sich von der Zweikampfhärte beeindrucken ließen.

So schafften sie es auch nicht, obwohl sie hohe Pressingintensität an den Tag legten (PPDA: 4,82 beziehungsweise 6,84), die Gegner vom Tor wegzuhalten. Sowohl Sandhausen als auch Regensburg kamen auf zehn oder mehr Abschlüsse aufs Tor, beide Gegner kamen bei den expected Goals auf über 1,20 und hatten mehrere Großchancen.


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Ein anderes Problem aus dem Vorjahr scheint Darmstadt auch nicht abgelegt zu haben. Sowohl gegen Sandhausen wie auch gegen Magdeburg kassierten die Lilien auf eine Flanke bei einer Standardsituation folgend ein Gegentor. Im Vorjahr kassierte Darmstadt mehr als ein Viertel seiner Gegentore nach Ecken, Freistoßflanken oder Einwürfen, so viel wie kein anderer Klub in der 2. Bundesliga.

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