Uwe Spinder bringt Gunzenhäuser zum Lachen

8.3.2016, 10:43 Uhr
Uwe Spinder bringt Gunzenhäuser zum Lachen

© Kristy Husz

Am Anfang war eine Zugfahrt. Als der Wahl-Stuttgarter Uwe Spinder in Gunzenhausen (O-Ton des für die Reise konsultierten Bahnservice-Dienstleisters: „Liegt des fei noch im Ländle?“) die Gleise verließ, erkannte er sogleich: „Bei diesem Bahnhof, da ist die Kultur zu Hause.“ Die Lacher hatte der bereits zum zweiten Mal im Café „Lebenskunst“ gastierende Kabarettist mit dieser Beobachtung sofort auf seiner Seite, und so sollte es den ganzen Abend hinweg bleiben.

Die Deutsche Bahn als Einstiegsthema, das ist ein dankbares Sujet, denn schnell wird klar, dass sich viele in dem gut gefüllten Lokal mit den von Spinder geschilderten absurden Situationen identifizieren können. Das betrifft nicht nur den „Bahnsinn mit geplantem Wahnhof“ in seiner von Baustellen überzogenen Heimatstadt, sondern genauso die Tücken des Ticketkaufs wie auch die Tatsache, dass das Verkehrsunternehmen im Verlauf eines einzigen Geschäftsjahres insgesamt 3,7 Millionen Minuten – sieben Jahre! – Verspätung angesammelt hat.

Flugs ist von der baden-württembergischen Landeshauptstadt als Nächstes der Bogen zu der dort unmittelbar bevorstehenden Landtagswahl und schwarz-grünen (oder ab sofort grün-schwarzen, wie eine präzisierende Stimme aus der Zuhörerschaft anmerkt) Scharmützeln geschlagen. Hierbei wird deutlich, weshalb Spinders mittlerweile fast 600 Bühnenauftritte bislang vermehrt im süddeutschen Raum stattfanden: Jenseits des Ländles und einiger Teile Bayerns sind bestimmte Politikerpossen nicht mehr zwingend Begriff und könnte der erste Teil des nach einer berühmt-berüchtigten Sympathie-Kampagne „Wir können alles …“ betitelten Programms des Schwaben nur bedingt funktionieren.

Klaviatur des Humorismus

Im Altmühlstädtchen aber knallen die meisten Pointen, kennt man die Namen und versteht man die Anspielungen, und manche Dame in den vorderen Reihen kichert gar so lautstark, dass Spinder, spürbar amüsiert, kurz im Vortrag innehalten muss. Die eher überschaubaren Platzverhältnisse des Cafés unterstützen den unmittelbaren Kontakt zwischen dem Künstler und seinen Gästen; hier spricht keiner von oben herab und kann jemand vom Bistrotisch aus noch ganz spontan auf Zwischenrufe oder Niesattacken reagieren. Oder auf das synchrone Zücken der Lesebrillen, denn praktischerweise hat Spinder die tagesaktuellen Schlagzeilen, an denen er sich abarbeitet, gleich im Gepäck und zeigt sie bereitwillig herum.

Souverän spielt der 49-Jährige auf der Standardklaviatur für Humoristen, er beherrscht die netten Wortspielereien („Bayern-Ajatollah“ Seehofer mit seiner designierten Nachfolger-Phalanx vom „Dob-Rindt“ über den „Schauspiel-Söder“ bis hin zu Ilse „UngeAignert“) ebenso wie Sprachduktus-Parodien, und frotzelt hintersinnig über bizarre Blüten der Bürokratie, die mafiösen Machenschaften der Fußballverbände und eine Zauderpolitik Angela Merkels, welche „erst entscheidet, wenn entschieden ist, dass mit der Entscheidung nichts Entscheidendes entschieden wird“. Ab und zu blitzt blanker Galgenhumor auf, wenn Spinder zum Beispiel erklärt, dass ausgerechnet der verbale Angriff des EU-Kommissars Günther Oettinger auf AfD-Chefin Frauke Petry ja das Gescheiteste sei, was dieser Mann in den letzten Jahren von sich gegeben habe.

Dem Alltagsirrsinn gewidmet

Der zweite Block der Veranstaltung ist weniger den gegenwärtigen Nachrichten als dem persönlich erfahrenen Alltagsirrsinn in Deutschland gewidmet. Spinder entlarvt das „Kommunikationsgewäsch“ auf Facebook, liefert angesichts der „medi-zynischen Gesundheitsreformitis“ schwäbische Spartipps für den Herbst des Lebens – schon mal darüber nachgedacht, Omas vererbtes Gebiss zu recyceln, statt horrende Summen in den eigenen Zahnersatz zu stecken? – und bemängelt, dass von der Jugend im 21. Jahrhundert kaum noch gesellschaftliche Impulse ausgingen.

Der Altersdurchschnitt des Publikums kann letzterer These nichts entgegensetzen. Dafür sind sich die Zuhörer, gleich welchen Alters, am Ende allerdings einig, dass der zweistündige Abend der Unterhaltung wie der Bildung gedient habe und Kabarett vielleicht die einzig verbliebene Form der Opposition sei. Mit tosendem Applaus wird die Zugabe eingefordert, Spinder versteckt sich in einer kleinen Improvisationseinlage hinter den Vorhängen am Schaufenster, schlüpft vergnügt wieder hervor und gibt schließlich einige handverlesene Aphorismen zum Besten.

Seine baldige Rückkehr mit neuem Programm in den vermeintlichen Ländle-Außenbezirk steht nicht nur zur Freude des Organisators Peter Schnell ziemlich sicher fest. Offensichtlich hat der Gunzenhäuser Bahnhof dem Reisenden doch ein einladendes Bild geboten.

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