Siemens in Nürnberg: Werden 400 Stellen abgebaut?

18.9.2020, 06:00 Uhr
Siemens-Standort in der Vogelweiherstraße: Nach dem Willen der Konzernleitung sollen Teile der dort angesiedelten Produktion ins Ausland verlagert werden.

© Daniel Karmann, NNZ Siemens-Standort in der Vogelweiherstraße: Nach dem Willen der Konzernleitung sollen Teile der dort angesiedelten Produktion ins Ausland verlagert werden.

Die Stimmung bei Gerald Eberwein ist bedrückt. Er ist Betriebsrat am Siemens-Standort in der Nürnberger Vogelweiherstraße und muss in diesen Tagen einige Hiobsbotschaften verkraften. 373 Arbeitsplätze sind dort offenbar in Gefahr – so etwas lässt keinen Arbeitnehmervertreter kalt.

Große Motoren aus dem Hoch- und Niederspannungsbereich sollen nach dem Willen der Konzernführung künftig nicht mehr in Nürnberg, sondern im tschechischen Drasov gefertigt werden. Auch einige Bereiche aus der Vorfertigung stehen zur Disposition, heißt es. Diese Schiene war 2016 schon einmal Gegenstand von Verhandlungen gewesen. Und es kommt noch dicker: Der Bau von Elektroantrieben für Busse und Lastwagen mit den dazugehörigen Steuerungselementen soll komplett nach China umgesiedelt werden.


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Für Eberwein ist dies das falsche Signal: "Siemens ist ein Technologiekonzern und nimmt für sich in Anspruch, die Transformation in der hiesigen Wirtschaft zu begleiten. Und dann zieht man um nach China. Während Tesla in Deutschland eine komplette Fabrik hochzieht, scheitert Siemens schon an den Antrieben für Europa", ärgert er sich.

Sorge macht ihm ein weiterer Punkt, den der Konzern angekündigt hat: das Steigern der Profitabilität am Standort Nürnberg. Für Eberwein hört sich das so an, als wolle das Management "mit dem Rechen durch die Abteilungen ziehen und sehen, was darin hängenbleibt." Dass der Standort in der Vogelweiherstraße eine "digitale Vorzeigefabrik" werden soll, tröstet ihn kaum.


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Bernhard Lott, Pressesprecher von Siemens in Bayern, äußerst Verständnis für die Ängste der Belegschaft, nimmt aber gleichzeitig das Management in Schutz. Dass die Fertigung von E-Motoren verlagert werden soll, mache Sinn: "Die Musik in diesem Sektor spielt in China, da boomen Elektrobusse enorm", sagt Lott. Wer sich auf dem rasant wachsenden Markt in Asien behaupten wolle, müsse mit der Produktion vor Ort sein, argumentiert er: "Das ist eine rein strategische Entscheidung."

Hinzu komme, dass der Markt für die bislang in Nürnberg gebauten Hoch- und Niederspannungsmotoren – diese werden beispielsweise im Bergbau, in Chemiefabriken oder bei der Marine eingesetzt – in Europa auf niedrigem Niveau stagniere, so Lott weiter. "Die Folge sind Überkapazitäten, die wollen wir abbauen und daher den Produktionsstandort verlagern", erläutert er. Die teilweise schmerzlichen Maßnahmen des Konzerns dienten letztlich dem Ziel, "den Standort Nürnberg fit für die Zukunft zu machen", resümiert er. Daran hat Betriebsrat Eberwein nichts auszusetzen – allein beim Weg dorthin gehen die Meinungen auseinander. "Auf den Trümmern von Stellenabbau kann nur schwerlich Motivation für eine digitale Zukunft wachsen", ist er überzeugt.

Er sieht "ungenutzte Chancen" auf dem europäischen Markt, die das Management schlicht ignoriere. Die kommenden Gespräche zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite werden nicht einfach werden.

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