16. Oktober 1964: Neue Straßen schlagen Schneisen in die Stadt

16.10.2014, 07:00 Uhr
16. Oktober 1964: Neue Straßen schlagen Schneisen in die Stadt

© Gerardi

Selbst in allernächster Nähe der Altstadt, dem Rühr-mich-nicht-An der Wiederaufbau-Jahre, muß nichts auf alle Ewigkeit verbaut sein, wie neuerdings am Beispiel von Neutorgraben und Johannisstraße zu erkennen ist.

An dieser Stelle ist fast über Nacht ein Stück Großstadt entstanden, wie es sich fortschrittliche Architekten erträumen. Die vielzitierte Synthese von alt und neu, der Gegensatz von historischen Mauern und modernen Wohntürmen, wird hier wahr; die großzügigen Fahrbahnen, die eben dampfend aufgetragen werden, runden dieses erfreuliche Bild ab. Da blicken sich die Fassade eines Bürogebäudes unserer Tage (Ecke Hallerwiese/Neutorgraben) und der dicke Neutorturm mit seiner Geschichte förmlich an. Dort wurden zwei wenig ansehnliche Häuser abgerissen, um einen Wohnblock im Stil unserer Zeit Platz  zu machen. Die Nürnberger werden das sehen und – hoffentlich – darüber staunen.

Aber nicht nur im Zentrum selbst lassen sich noch die Weichen für die Zukunft stellen, sondern auch draußen auf dem flachen Land, fernab von der Bannmeile der alten Stadtmauer, die so manchen hochfliegenden Plänen im Wege stand. So künden Berge von Sand im Osten von Buch davon, daß dieser ländliche Vorort besseren Zeiten entgegengeht. Zwei Brücken und besagte Berge deuten schon an, daß Buch bis Ende 1964 von der Bundesstraße 4 umgangen werden soll.

„Die Leute werden dann vor lauter Ruhe gar nicht mehr schlafen können“, meint humorvoll Oberbaudirektor Karl Schaller, der Leiter des Tiefbauamtes. Er kennt die Sorgen der Bucher von heute, denn durch die schmale kurvenreiche Ortsdurchfahrt fließt ein starker Verkehr. Er soll sich künftig zwischen den Feldern des Knoblauchslandes um den Ort herum bewegen.

Die Stadt läßt es sich 2,3 Millionen Mark kosten, um den Buchern ihren Frieden wieder zu geben. Zwei Brücken der Umgehungsstraße stehen schon fix und fertig da. Eine wirkt noch einsam und verlassen in der Landschaft, an der anderen wird aufgeschüttet. Es ist nötig, insgesamt 170.000 Kubikmeter Erde zu bewegen. Erst wenn das geschehen ist, können die beiden Fahrbahnen von 7,5 Meter Breite, samt Mittelstreifen und Radwegen auf beiden Seiten entstehen.
Eine neue Straße – ein neuer Anblick. Damit ist es jedoch nicht immer getan. Die Schnellstraße stellt die Städtebauer vor große Probleme.

So elegant sie selbst zu werden verspricht, so trostlos bietet sich meistens ihre Nachbarschaft dar. Als die Stadträte vorgestern von der hohen Warte eines Maschinenhausdaches in der Fuchsstraße zur Stadtgrenze und zur Schnellstraße hinüberschauten, da überkam sie leises Grauen. „Ist das nicht furchtbar, welche Hütten in Schniegling und auf der Fürther Seite stehen“, sagte einer.

„Sollen die Gäste Nürnberg so kennenlernen?“ Es gibt keinen Zweifel, daß hier wie an vielen anderen Stellen etwas getan werden muß.
Nürnberg muß – und will auch – schöner werden.

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