Rosins Restaurants: Sisyphos der Küchen in Nürnberg

1.10.2014, 10:06 Uhr
Rosins Restaurants: Sisyphos der Küchen in Nürnberg

© ProSieben/Sat.1

Der Zuschauer sieht nie alles. Als Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki vor sechs Jahren die Auszeichnung mit dem Ehrenpreis beim Deutschen Fernsehpreis ablehnte, bekamen die Menschen vor den Bildschirmen nur einen Teil des Elends der Verleihung mit. „Und zwischendurch immer wieder Köche, nichts als Köche. Es war schrecklich“, sagte Reich-Ranicki danach in einem Interview mit der FAZ.

Seit mehreren Jahren hat sich Kochen als Thema im Fernsehen etabliert. Auf jedem Sender schmeißen Leute zu allen Tages- und Nachtzeiten Zutaten in einen Topf, tranchieren, löschen mit Wein ab. Der Fernsehkoch als Leitbild für kulinarische Genüsse, alles so erklärt, dass es jeder versteht. Auch Gastronom Frank Rosin reiht sich da ein. In „Rosins Restaurants“ zieht er durch das Land und hilft Betrieben in Not. Und die Not ist beim Nürnberger Prisma ziemlich groß.

Mit 260.000 Euro Schulden und einem Laden, der nicht läuft, dessen Essen bei Testessern nicht ankommt und einem Chef, der ziemlich planlos wirkt. Da muss der Profi ran. Der Profi Rosin. Umsatz verdoppeln, Fixkosten senken, Karte verschlanken – das Konzept neugestalten. Aus dem Prisma wird die Pasta Galerie.

In einer der ersten Einstellungen bei der Ausgabe von „Rosins Restaurants“ aus Nürnberg schlägt der Sternekoch noch die Arme über dem Kopf zusammen: „Ach du Scheiße.“ Allerdings ist der Betrieb in der Noris kein Härtefall in der Sendung.

Es gab schon deutlich aussichtslosere Fälle.
Trotzdem liegt auch bei der Ausgabe aus der Noris die gleiche Dramaturgie wie bei allen anderen Sendungen vorher über dem Geschehen. Rosin kommt. Ist verzweifelt. Testesser kommen, bewerten schlecht. Rosin findet eine Lösung. Alle ziehen mit. Alles wird wieder gut. Und am Ende sind auch die Testesser glücklich. Immer wieder. Und wieder.

Die komplette Sendung funktioniert nach einfachsten Tricks im Storytelling. Es gibt immer wieder ein Hindernis, das Rosin und Küchenchef Jan Schönherr im Weg steht. Das muss vielleicht so sein, damit eine Dramaturgie bei so unattraktiven Sachen wie Finanzen oder Inneneinrichtung drin ist. Aber es braucht nicht ständig eine musikalische Untermalung wie in einer Oper oder einer Liebeskomödie. Und spätestens wenn die Vorschau zur nächsten Ausgabe kommt, wird klar, dass es dort wieder die genau gleichen Probleme gibt. Man muss sich Frank Rosin als Sisyphos der Profiküchen vorstellen. 

Denn auf seinen Schultern lastet es auch, die Sendung mit Charme zu füllen. Was ihm gelingt. Denn Rosin hat im Vergleich zu vielen Kollegen Kanten und Ecken. Vor allem krempelt er die Küche auch nicht zu speziell um. Was nun allerdings bestimmte Gerichte besonders macht, was sie auszeichnet, unterscheidet von der eigenen Küche – bleibt alles im Dunkeln. Das liegt wohl weniger an Rosin, sondern mehr an der Geschichte. Und die darf nicht abweichen vom Muster.

Auch nicht in Nürnberg. Es sind die gleichen Probleme wie überall: Inhaber Jan Schönherr redet Küchenchefin Tanja Linsenmeyer rein. Rosin ist da, biegt es gerade. Es gibt keinen Serviceplan, Rosin ist da, bügelt es aus. Die ein oder andere Ecke ist dreckig und ungepflegt, Rosin ist da und sagt, dass es dreckig und ungepflegt ist.

Natürlich sind die Testesser am Ende zufrieden. Genauso wie Inhaber Jan Schönherr. Und auch Rosin. Wie es nach ein paar Tagen weitergeht, erfährt der Zuschauer in einem Magazinbeitrag nach der Sendung. Auch das ein guter Abschluss. Aber nur eine Momentaufnahme von ein paar Wochen. Die Ausgangsposition passt, doch die Zukunft bleibt natürlich offen. Der Zuschauer muss eben nicht alles sehen. Aber immerhin kann man sich in Nürnberg in der Pasta Galerie selbst überzeugen, wie es weitergehen wird. Dann ohne Kamera. Aber mit Nudeln auf dem eigenen Teller.

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