Das Cinecittà hat Geburtstag

27.11.2010, 16:44 Uhr
Das Cinecittà hat Geburtstag

© Mark Johnston

Cinecittà-Chef Wolfram Weber betrieb einst mehrere Programmkinos, allesamt typische Vertreter des Lichtspielhaus-Alternativ-Charmes der 80er Jahre. Das Multiplex machte Weber über Nacht zum lokalen Kinomogul. Mit 15 Jahren steht der Komplex jetzt kurz vor dem Eintritt in die Volljährigkeit.

Einige Pubertätsfehler sind unübersehbar. Zwar ist die Technik auf dem neuesten Stand. Von den sanitären Anlagen kann man dies nicht unbedingt behaupten. Auch offenbart der abschüssige Weg von den Kinokassen zu den Sälen gerade im Winter seine Tücken. Und auch das jugendliche Popcorn-Publikum evoziert einen gewissen Nervfaktor.

Doch dies tangiert Wolfram Weber eher weniger. Der mit seinem Lieblingskind sehr zufriedene Kinobetreiber erinnert sich an die Anfangsjahre und an so manche Hürde, die das Cinecittà überwinden musste: „Schon im Vorfeld fanden unsere Kollegen das Multiplex-Projekt nicht so witzig. Die Platzhirsche vom Admiral und vom Atlantik waren bereits zu Meisengeige- und Casablanca-Zeiten sehr darauf bedacht, dass wir keine Erstaufführungen bekommen. Die negative Tendenz wurde noch stärker. Die Baugrube war schon ausgehoben, da hat der damalige Leiter des Admiral noch auswärtigen Filmverleihern erzählt, das Projekt sei längst geplatzt.“

Auch gab es Wetten, dass Weber die Finanzierung nicht hinbekommt. Der triumphierte jedoch und besitzt noch heute den Wetteinsatz: ein kleines goldenes Fahrrad. Die Bauarbeiten geben heute ebenfalls so manche Anekdote her. So stieß ein Bagger beim Graben auf eine amerikanische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg.

Als sich der Bagger festbiss

Als besonders hartnäckig erwies sich der alte Bunker der Landesgewerbeanstalt. Der wurde teilweise ins MAD-Kino im IMAX integriert, das jetzt Cinemagnum heißt. Am Rest, so Weber, biss sich der Bagger eines Oberpfälzer Abbruchunternehmers die diamantenüberzogenen Zähne aus. Bei der Grundsteinlegung schwebten Weber und Alt-Oberbürgermeister Schönlein mit einem Kran ein. Das Bild hatte Symbolcharakter: Die Stadt hatte Weber mit dem Gewerbemuseumsplatz ein „Filet“-Stück der Altstadt in Form einer Erbpacht überlassen – für (damals) eine Mark.

Fertig wurde der Kinopalast auf den letzten Drücker. „Noch am Eröffnungstag hatte eine ganze Reinigungskolonne zu tun. Die Tage zuvor arbeiteten, alle Firmen zusammengerechnet, rund 800 Arbeiter parallel“, erinnert sich der 63-Jährige. Das eigentliche Eröffnungsfest, unter anderem mit der Vorführung des Blockbuster „Apollo 13“, kennen viele Nürnberger Kinofans nur vom Hörensagen. „Viele kamen nicht mal in die Nähe der Eingangstüren“, sagt Weber, „so groß war der Andrang.“ Die lokalen Radiosender meldeten: Hat keinen Sinn, bleibt lieber zu hause.

Kritiker werfen Weber und der Stadt Nürnberg noch heute vor, dass das Cinecitta ursprünglich nur um einiges kleiner genehmigt worden sei, von sieben Sälen war angangs die Rede. Am Ende beinhaltete das Haus stolze zwölf Säle. Später kamen noch einmal drei Kinos hinzu.

Der Chef ist stets die Ruhe selbst

Weber kann auch in der Retrospektive die ganze Aufregung nicht verstehen. Und auch an der korrekten Vorgehensweise der Stadtvorderen lässt Weber keinen Zweifel. Denn, „je mehr Kinosäle, je fetter ist die Erbpacht, die die Stadt Nürnberg einstreicht.“

Das Cinecittà wurde auch genehmigt, weil die Stadt unbedingt ein IMAX-Kino wollte. Die IMAX-Ära ging vor nicht langer Zeit fast unbemerkt zu Ende. Weber wollte kein Aufsehen in die Umgestaltung des schon lange als defizitär eingestuften Komplexes machen, der nur rund 100 Meter vom Cinecittà entfernt liegt.

Der einst gigantisch angekündigten Technologie weint Weber keine Träne nach. Deutschlandweit gebe es nur noch zwei Kinos, die klassische IMAX-Filme zeigen. „Jetzt heißt es halt Cinemagnum. 3D wurde optimiert. Wir haben alle Säle auf diese Technik umgestellt. Deutschlandweit liegt der 3D-Anteil bei 15 Prozent. Im Cinecitta sind wir heute schon bei 40 Prozent.“ So euphorisch klang er vor Jahren auch bei der IMAX-Eröffnung. Misserfolge lächelt er weg. Nett ist er, der heute 63-Jährige, und ausgefuchst. ein cleverer Geschäftsmann in Jeans und T-Shirt. Und als solcher darf er jetzt feiern, ist das Cinecittà doch immer noch das erfolgreichste Multiplexkino in ganz Deutschland.

Am Samstag findet um 17 Uhr im Cinemagnum eine Sondervorstellung von „Avatar 3D“ statt. James Camerons Fantasy-Abenteuer hatte im Cinecittà über 220000 Zuschauer. Damit hält das Kino den deutschen „Avatar“-Besucherrekord. Aus diesem Grund überreicht das Magazin „Filmecho“ dem Verleih 20th Century Fox in der Zentralbar des Cinecittà die „Goldene Leinwand“. Im Anschluss steigt eine Geburtstagsparty mit der Live-Band Tough Talk.



 

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