Die Frau an der heißen Platte sagt Adieu

30.10.2017, 08:00 Uhr
Die Frau an der heißen Platte sagt Adieu

© Günter Distler

Dann übernimmt Stiefsohn Klaus Riedel die Crêperie, die sein verstorbener Vater Dieter Riedel vor 40 Jahren mitgegründet hat. Und er will alles beim Alten lassen.

Wer meint, die bretonische Spezialität aus Mehl, Wasser und Salz sei resistent gegen Innovationen und einfach nur hauchdünn, rund und knusprig, der kennt Anna Meyer nicht. Seit sie im Jahr 2000 Witwe und von der Teilzeit- zur Vollzeitwirtin wurde, hat sie enorme Vielfalt in die zweifach gefalteten Klassiker gebracht. Ging das Spektrum vor 40 Jahren kaum über Käse-Schinken oder Schoko-Banane hinaus, steht der Flachling aus Weizen- oder Buchweizenmehl heute sehr viel bunter da.

Anna Meyer, immer ganz in Grün, erfreut die Gäste mit Kürbis-Grünkohl-Crêpes, packt Ziegenfrischkäse und gebratene Schwarzwurzel darauf oder gibt dem süßen Modell mit hausgemachter Karamellsoße und salziger Butter Pep. Blöd, dass die Dinger satt machen... Alles ist bio, da ist die Wirtin Überzeugungstäterin. In ihrem Lokal neben dem Casablanca-Kino kommt nichts anderes auf den Tisch.

Öl auf die Platte, Teig verteilen, wenden, Zutaten darauf, etwas warten, dann falten. Dass das monoton ist, bestreitet die 67-Jährige energisch. "Jede Crêpe ist anders!" Außerdem hat sie von ihrem Arbeitsplatz aus alle 32 Plätze im Auge und am Tresen immer Gesprächspartner - solange der Dampf nicht zu dicht ist, der von der Platte aufsteigt.

Der alte spanische Gitarrist, der jeden Abend auftaucht, ein paar Minuten spielt und den Hut herumgehen lässt, sei todtraurig, erzählt die Wirtin. "Seniora Anna, bleiben Sie!", bettelt der Straßenmusiker. Vergebens, die Frau will raus aus der Mühle, endlich Zeit haben, auch wenn das Herz blutet und sie ihren Laden liebt.

Als sie Chefin im Crêpe-Geschäft wurde, ahnte sie, was auf sie zukommen würde: "Bis 65 nicht krank werden." Geklappt hat das jetzt bis 67. Wirte werden nicht krank, die Gallen-OP wurde zwischen Weihnachten und Neujahr absolviert, "ansonsten habe ich durchgehalten". Hat sie, mit Würde und einer zweiten Leidenschaft: der Kunst.

Ausstellungen hat es hier schon immer gegeben. Aber zum 40. Crêperie-Geburtstag hat Anna Meyer ihre Wände zwei Etagen höher leergeräumt und zeigt, was in Nürnberg Rang und Namen hat. Peter Angermann, Thomas Lunz, Peter Hammer, Gerd Bauer, Toni Burghart, Cornelia Effner, alle haben bei ihr schon ausgestellt. Ihre Augen blitzen, wenn sie Bild um Bild erklärt.

Dazwischen hängen Fotos aus alten Zeiten. Zum Beispiel eines von Marie-Noëlle aus der Bretagne, die sich 1976 in ein Mitglied der Hausgemeinschaft verliebt und Gründer Dieter Riedel mit dem Crêpe-Virus infiziert hat. Marie-Noëlle ist schon lange wieder nach Hause zurückgekehrt. Die Crêpe ist geblieben.

Mehr Informationen über die "Crêperie Yechet Mad" in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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