Im "Öchsla" bleiben jetzt die Töpfe kalt

15.10.2013, 22:00 Uhr
Im

© Winckler

Maria Brunner hat genug – und sagt das auch ganz offen. Mit 65 ist Schluss, das stand für die resolute Wirtin lange fest. Im August feierte sie Geburtstag, jetzt setzt sie sich zur Ruhe. 28 Jahre hat sie im „Öchsla“ ihre Frau gestanden, weitgehend allein. Nur freitags erhielt sie Unterstützung von einer „Hausfrau“, sonntags half die Tochter. Den Rest der Zeit nahm Maria Brunner die Bestellungen alleine auf, brutzelte Schnitzel in der Pfanne, servierte Getränke und Gerichte und kassierte ab.

Wenn es einmal länger dauerte, weil das Wirtshaus brummte, wussten die Gäste, dass sie sich besser nicht beschweren sollten. „Sonst hätt’s Ärger mit mir gegeben“, sagt die Wirtin und zeigt auf ein gelbes Schild an der Theke: „Regierungsbezirk Maria – Mein Wort ist hier Gesetz.“ Ja, sagt sie schmunzelnd, bei ihr haben Zucht und Ordnung geherrscht. Und ein wohltuend vertrauter Rhythmus.

Dienstag war Schlachttag, Donnerstag Ruhetag, am Freitag gab es Fisch und samstags wurde gekartelt. Die „Kniedli“ waren den Sonn- und Feiertagen vorbehalten. Kaum mehr als vier Gerichte standen täglich auf dem Speiseplan. Hausmannskost, die jedem Vegetarier den Schweiß auf die Stirn treibt: Schnitzel, Kotelett und Bratwürste, aber auch Lunge mit Semmelknödel, Knöchla-Sülze oder „Rüssele“, also Schweineschnauze.

Eine Speisekarte gab es nicht. Alles, was man wissen musste, stand draußen auf der Tafel angeschrieben. Stammgäste wussten das, wer neu war, wurde von Maria Brunner umgehend hinausgeschickt. „Etz liest erst mal die Tafel, dann kommst wieder rein.“ Zum Stammpublikum zählten auch Senioren, darunter viele Witwer, die mittags zum Essen kamen. „Ich hab’ immer gesagt, da kommt wieder das Altenheim“, witzelt die 65-Jährige. Jetzt ist Schluss mit Mittagstisch bei der Maria. „Denen wird schon was abgehen“, vermutet sie. Volker Heißmann geht das nicht anders. Der Komödiant schaute gern im „Öchsla“ vorbei und schwärmt von einer der „letzten Oasen mit richtiger Fürther Wirtshauskultur“. Bei Maria Brunner seien alle Gäste gleich gewesen, da habe es keinen Heißmann- oder Oberbürgermeister-Bonus gegeben. „Das habe ich sehr geschätzt.“

In 28 Jahren hat die Wirtin viele Gäste kommen und gehen sehen. Einige hat sie überlebt. Maria Brunner holt eine Mappe hervor. Auf weißen Seiten hat sie Todesanzeigen aufgeklebt. Stammgäste. 1988 habe sie damit begonnen, weil es sie nervte, wenn an den Tischen wieder darüber gestritten wurde, wie lange der eine oder andere schon tot sei. „Hier, ich hab’s schwarz auf weiß“, sagte Maria Brunner dann.

Die gebürtige Straubingerin ist längst ein Fürther Original. Die Tucher Bräu, deren Biere sie ausschenkte, setzt Brunner in eine Reihe mit legendären Wirtinnen wie Margarethe Mandel vom „Pfarrgarten“, Erika Pöhler („Schneidersgärtla“) oder Luise Eichinger („Gaulstall“).

Nur eine Eckbank zieht um

Am Samstag feierte Maria Brunner Abschied mit den Stammgästen. Schnitzel und Koteletts gab’s diesmal frei Haus. „Da hatten einige Tränen in den Augen, aber ich nicht“, sagt Maria Brunner. Sie freut sich auf den Ruhestand, die Wehmut überlässt sie ihrer Tochter, die in dem Haus an der Ecke Helmstraße und Königsplatz groß geworden ist, genau über der Wirtschaft.

Das Haus hat Maria Brunner verkauft. Weil der neue Eigentümer sich mit Tucher nicht auf eine Ablöse einigen konnte, reißt die Brauerei heute das Inventar heraus. Maria Brunner will nur wenige Erinnerungsstücke behalten; vielleicht ja das Schild an der Tür – „schlimmer noch als krank und tot, ist im Öchsla Hausverbot“ –, ganz gewiss aber eine Eckbank. Die kommt in die „Kellerbar“ ihres neuen Hauses in Sack. „Da laden wir’s dann schon mal alle ein“, sagt Maria Brunner über ihre Stammgäste, fügt aber rasch hinzu: „Aber nicht öfter als einmal im Jahr.“

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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