"Kulinarische Führungen": Viel Wissen zum Abendessen

30.3.2017, 08:00 Uhr

© Edgar Pfrogner

Nein, schön ist es hier in der Äußeren Laufer Gasse im "Egidienviertel" beileibe nicht - obwohl die Route früher ein Teil der "Goldenen Straße" nach Prag war. "St. Egidien ist ein vernachlässigter Stadtteil", sagt auch Andrea Davaroukas, die zum "Genuss-Spaziergang" im Namen von eingeladen hat. "Viele denken beim Egidienberg nicht an die Kirche, sondern an den Parkplatz drumherum." Dabei sei der Stadtteil um die Barockkirche und das Tucherschloss sehr geschichtsträchtig.

Die Resonanz ist groß: Mehr als zwanzig Frauen und Männer sitzen gespannt an den Tischen im gesunden Restaurant "Green Lion". Fünf Stationen stehen auf dem Programm, an denen eine kulinarische Kleinigkeit wartet. Im "Green Lion" serviert Inhaberin Christine Löhner einen Quinoa-Kichererbsensalat im Glas.

Zu Fuß auf Entdeckungsreise

"In anderen Städten macht man ja auch Führungen", sagt Eleonore Sens, die eine "Wiederholungstäterin" ist: "Man erfährt viel Neues und lernt dabei auch noch Restaurants kennen, in denen man noch nie war!" Führerin Andrea Davaroukas will ihre Gäste auch "nicht mit Zahlen füttern, sondern kulinarisch und mit kleinen Geschichten verwöhnen".

Essen und Wissen - diese Kombination hat Karin Wittenstein ("Cookionista") vor zwei Jahren entdeckt. Mittlerweile bietet sie sechs Touren durch Nürnberg an. "Pulsierendes Studentenleben, hippe Gastronomie, barocke Architektur und kulturhistorische Schätze" können die Gäste per pedes in knapp drei Stunden im "Egidienviertel" entdecken.

© Edgar Pfrogner

Die zertifizierten Stadtführerinnen Claudia Radtke und Carmen Machmuridis-Lösch haben die Tour "Wie schmeckt meine Stadt" ebenfalls vor zwei Jahren ins Leben gerufen. Sieben Spaziergänge führen die Teilnehmer in die Altstadt, nach St. Johannis und - ganz neu - per Fahrrad ins Knoblauchsland oder in die Nordstadt. Am Friedrich-Ebert-Platz ist Treffpunkt der "Tour Nord". Der erste Gang führt ins renommierte "Würzhaus" von Diana Burkel. Die Küchenchefin begrüßt die Teilnehmer mit einem Glas Champagner und einem Amuse-Gueule aus Saibling-Tatar mit karamellisierten Gewürzen. Alle seufzen glücklich. "Da gehen wir mal hin", sagt eine Frau zu ihrem Mann. Der nickt begeistert.

"Es ist sowohl für die Gastronomen als auch für uns eine super Sache", sagt Machmuridis-Lösch. "Die Restaurants können sich präsentieren und wir haben tolle Stopps in unserer Führung." Weiter geht’s zur Platnersanlage am Friedrich-Ebert-Platz, von der wohl die wenigsten wissen, dass Georg Zacharias Platner hier im 19. Jahrhundert einen riesigen öffentlichen Park angelegt hat. Schnell taucht man in frühere Zeiten ein, während die Stadtführerin Anekdoten und Geschichte eloquent verbindet.

Auch Doris Ritter bietet verschiedene kulinarische Führungen durch Nürnberg an. "Happy Nürnberg Tours" heißt ihr Unternehmen, mit dem sie ein Stück Stadtgeschichte serviert - beispielsweise ganz neu zum Frühstück als "Happy Brunch Tour": ein Frühstück in der Altstadt mit Stopps in verschiedenen Lokalitäten.

Andrea Davaroukas von "Cookionista" ist mit ihrer Gruppe am Tucherschloss angekommen. "Wissen Sie, woher das Wort steinreich kommt?", fragt sie. Schulterzucken. "Wer sich ein komplettes Haus aus Stein im Mittelalter bauen konnte, der war eben steinreich", beantwortet sie ihre Frage selbst. Und führt die Gruppe ins ceylonesische Restaurant , wo eine feine Spinatsuppe wartet. Man sitzt an langen Tischen, kommt miteinander ins Gespräch, tauscht sich aus, gibt Restaurant-Tipps und genießt.

Das ist der Charme aller kulinarischen Führungen in Nürnberg - gemeinsam schlemmen und Wissenswertes in Häppchen erfahren. Die Tourismuszentrale Nürnberg hat auf ihrer Homepage alle möglichen Führungen von "Rotes Bier und Blaue Zipfel" über "Lebkuchen" bis zur "Bratwurstführung" aufgelistet.

Ein Höhepunkt der Führung durch das Egidienviertel ist der Stopp auf dem "Feierabendmarkt" hinter der Kirche, der jeden Freitag ab 13 Uhr stattfindet. Pfarrer Martin Brons wollte damit das Viertel aufwerten - der Markt, auf dem man alles von Cappuccino bis zu diversen Spezialitäten bekommt, gleicht vor allem im Sommer einer kleinen Oase mitten in der Stadt. "Hier haben die oberen Zehntausend gewohnt", sagt Davaroukas und erzählt von den Tuchers und Imhoffs, den Pellers, bevor man am "Feierabendmarkt" die nächste kulinarische Pause einlegt. Die Tour endet nach einem Halt bei "Hut Brömme" in der "Bierothek".

© Edgar Pfrogner

So schmeckt Nürnberg also: nach Karotten-Ingwer-Suppe, die Robert Russ in seinem "Caffé Fatal" kredenzt. "Hier war ich das letzte Mal als Studentin vor 20 Jahren", sagt eine Teilnehmerin lachend. "Ist aber immer noch schön hier!" Die Campe-Villa ist eine der nächsten Stationen. Ehrfürchtig betreten alle das Treppenhaus, in der "Tanzgalerie" wartet ein Schoppen Wein. "Hier haben sich schon im Jahre 1810 Nürnberger zum Tanz getroffen", erzählt Carmen Machmuridis-Lösch.

Historischer Streifzug

Durch die Straßen an den großen Häusern im sogenannten "Nürnberger Stil" vorbei laufen wir in die Frommannstraße. Am Haus Nummer 17 erfahren die Teilnehmer die Geschichte einer jüdischen Familie, die in keinem Geschichtsbuch steht - und alle in ihren Bann zieht. Im Restaurant , das ganz versteckt an der Pirckheimerstraße liegt, gibt es Lasagne. "Jetzt kann ich dann nicht mehr", sagt Fritz Schneider.

Aber da war noch was! Schließlich endet jedes gute Dinner mit einem Dessert. Nach einem letzten Spaziergang vorbei am Staatsarchiv führt Carmen Machmuridis-Lösch ins Restaurant . Chefin Christine Stiegler stellt gleich drei Platten voller süßer Köstlichkeiten auf den Tisch: Tiramisu, warmer Schokokuchen mit heißem Schokokern, Kokos-Limetten-Creme. "Seid ihr satt geworden?", fragt die Stadtführerin. Gelächter. Mehr als das.

"Nürnberg Egidienviertel", 45 Euro, www.cookionista.de - "Wie schmeckt meine Stadt - Tour Nord", 59 Euro, www.wie-schmeckt-meine-stadt.de - "Happy Brunch Tour", 45 Euro, www.happy-nuernberg-tours.dewww.tourismus.nuernberg.de

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

Verwandte Themen


Keine Kommentare