Bamberger Chefarzt soll zwölf Frauen missbraucht haben

22.9.2014, 14:20 Uhr
Dem Bamberger Chefarzt konnten nun mindestens 17 Fälle von sexuellem Missbrauch nachgewiesen werden. Der Tatverdächtige bleibt in Untersuchungshaft.

© GuideMedia Dem Bamberger Chefarzt konnten nun mindestens 17 Fälle von sexuellem Missbrauch nachgewiesen werden. Der Tatverdächtige bleibt in Untersuchungshaft.

Was die Staatsanwaltschaft Bamberg und das Polizeipräsidium Oberfranken am Montag in einer gemeinsamen Erklärung veröffentlichten, ist erschreckend.

Der Tatverdacht des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Frauen gegen den beschuldigten Klinikarzt hat sich in bislang 15 Einzelfällen bestätigt. Geschädigt sind insgesamt zwölf jüngere Frauen im Alter von 17 bis 28 Jahren, die teilweise mehrfach missbraucht worden sein sollen. Die Staatsanwaltschaft spricht sogar von 17 Fällen. Davon scheidet ein Vorfall aus dem Jahr 2008 wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung aus.

Bei zehn der geschädigten Frauen handelt es sich um Patientinnen des beschuldigten Klinikarztes, die mit dem Tatverdächtigten anlässlich stationärer oder ambulanter Behandlungen wegen eines Beckenvenenleidens in Kontakt gekommen waren.

Der Arzt soll nach bisherigen Erkenntnissen seine Opfer in allen Fällen außerhalb des üblichen Klinikbetriebs, vorwiegend am späten Nachmittag und frühen Abend, missbraucht haben. Zu den zwei Geschädigten, die nicht Patienten des Chefarztes waren, handelt es sich um eine Medizinstudentin, die zum Zeitpunkt im Klinikum ein Praktikum absolvierte, und um eine Auszubildende der Bamberger Klinik.

Beide hatten sich ihren Angaben zufolge auf Nachfrage des beschuldigten Arztes bereit erklärt, an einer von ihm angeblich durchgeführten Studie zu Beckenvenenleiden teilzunehmen. In allen Fällen soll der Klinikarzt den geschädigten Frauen ohne jede Aufklärung und ohne Zustimmung ein Beruhigungsmittel in hoher Dosis injiziert haben, das – wie beabsichtigt - die völlige Willenlosigkeit und vollständige Erinnerungslosigkeit der Opfer zur Folge hatte.

In dieser Situation soll der Beschuldigte seine entkleideten Opfer sexuell missbraucht haben. Die Tathandlungen hat der Klinikarzt selbst mit einer Vielzahl von Bildern dokumentiert, die jetzt wesentliche Beweise für den Prozess sein werden. Mehr als eine Million Bilder stellte die Polizei bei dem Arzt sicher.

In einem weiteren Fall soll der Beschuldigte einer Geschädigten ohne jede Aufklärung und ohne ihre Zustimmung ebenfalls ein Beruhigungsmittel in hoher Dosis injiziert haben. Auch dies dokumentierte der Beschuldigte mit zahlreichen Fotos. Dieses Opfer missbrauchte er nach den bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht.

Eine siebenköpfige Ermittlungsgruppe arbeitete mit Hochdruck seit der Aufdeckung der Vorfälle Mitte August an der Aufklärung der Missbrauchsfälle. Alle auf den bisher ausgewerteten Datenträgern abgebildeten Frauen konnten laut Polizei mittlerweile identifiziert und vernommen werden.

Erst im Rahmen dieser Vernehmungen, die aus Opferschutzgründen besonders behutsam durchgeführt wurden, erfuhren die Geschädigten von dem, was ihnen widerfahren ist.

Medizinstudentin brachte Stein ins Rollen

Eine Medizinstudentin, die als Praktikantin bei dem Chefarzt arbeitete, brachte den Stein ins Rollen. "Ohne diese wäre das letztlich offenbar gewordene massive Fehlverhalten eines leitenden Klinikarztes niemals bekannt geworden", sagt der leitende Oberstaatsanwalt Bardo Backert. "Für ihr mutiges und selbstloses Eintreten hat die Praktikantin hohes Lob verdient." Zu Beginn der Ermittlungen gab es lediglich nur einen vagen Tatverdacht eines möglichen ärztlichen Kunstfehlers, nachdem die Anzeigeerstatterin realisiert hatte, dass ihr im Rahmen der Teilnahme an einer vermeintlichen Studie anstelle eines angeblichen Kontrastmittels ohne ihre Zustimmung und ohne jegliche Aufklärung eine Substanz injiziert worden war. Dies hatte eine massive Erinnerungslücke für einen Zeitraum von etwa einer Stundezur Folge.

Der Tatverdächtige bleibt weiter in Untersuchungshaft. Im neu gefassten Haftbefehl werden dem Klinikarzt 15 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Widerstandsunfähigen zur Last gelegt, davon in zwölf Fällen wegen gefährlicher Körperverletzung. In zehn Fällen handelt es sich um besonders schwere Fälle des sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger, für die das Gesetz eine Mindeststrafe von zwei Jahren vorsieht. Der Strafrahmen reicht in diesen Fällen bis zu einer Höchststrafe von 15 Jahren. In einem weiteren Fall lautet der strafrechtliche Vorwurf lediglich auf gefährliche Körperverletzung.

Die Staatsanwaltschaft wird zusammen mit dem Fachkommissariat der Bamberger Kriminalpolizei die Ermittlungen fortsetzen. Es kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass sich noch weitere strafrechtlich relevante Erkenntnisse ergeben können.

Die Staatsanwaltschaft Bamberg wird nun ein psychiatrisches Sachverständigengutachten in Auftrag geben, um zu klären, ob der Tatverdächtige bei Begehung der Taten, die von Oktober 2008 bis Ende Juli 2014 reichen, in vollem Umfang strafrechtlich verantwortlich handelte. Die Staatsanwaltschaft will noch im Spätherbst Anklage erheben.

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