Im Käse-Himmel

13.1.2012, 00:00 Uhr
Im Käse-Himmel

© Bernd Böhner

Drei bis vier Mal im Monat haben maximal 13 Personen das Glück, vier Stunden lang ein außergewöhnliches Ereignis in Erlangen zu genießen, für das sich aktuell nicht weniger als 1.300 Interessenten angemeldet haben: das – einschließlich Sommerpause – bis September 2012 ausgebuchte Käseseminar von Maitre Affineur Volker Waltmann, Spezialist für Rohmilchkäse. Fünf Gänge mit jeweils drei Sorten präsentiert der Lieferant von 900 Hotels und Restaurants – alles beste Adressen, vom Berliner „Adlon“ bis zu Heinz Winkler in Aschau.

Beim informativ wie kulinarisch höchst anspruchsvollen Spaziergang durch den Käse-Himmel erfährt der Gast viel Neues von einem Erzeugnis, von dem es auf der Welt heute etwa 5000 Sorten gibt. Bei Waltmann lagern bis zu 250 – rund 1500 Laibe, insgesamt viereinhalb Tonnen schwer –, in eigenen, 200 Quadratmeter großen Reifungskellern, zum Teil aus Backstein.

Die Produkte können unterschiedlicher nicht sein, ist ihre Sortenvielfalt doch abhängig von der Art der verwendeten Milch (Schaf, Ziege oder Kuh) und deren Vorbehandlung, vom Herstellungsverfahren, möglichen Zusätzen wie Salz, Gewürzen, Bakterien- und Pilzkulturen, der Nachbehandlung mit vielerlei, von Waltmann perfektionierten Methoden, den Reifebedingungen und der -dauer. Über all diese Hintergründe informiert der Experte – und stellt dazu in fünf Gängen jeweils drei Sorten auf den Tisch. Es handelt sich ausschließlich um Rohmilchkäse, werden doch bei pasteurisiertem Käse die Geschmacksbakterien abgetötet. Die Tour de Fromage hält dabei manche Überraschung bereit und weitet den Blick für spezielle Zubereitungsmöglichkeiten und Essgewohnheiten („Die Rinde sollte weggeschnitten werden, was dem Franken immer weh tut“) sowie geschichtliche Eigenheiten.

Lieferanten der Milch in Sichtweite des Kirchturms

Die Ziegenkäse-Pyramide aus Valencay ist – so erzählt Waltmann schmunzelnd eine Anekdote – deshalb ohne Spitze, weil dieser Käse damals Napoleon an seine Niederlage in Ägypten erinnerte und er daraufhin die Pyramide mit seinem Schwert geköpft hat. Ein „Brillat Savarin“ aus dem Burgund eignet sich als Dessert zusammen mit Honig, Zitronensaft, Thymian und Rosmarin. Der „Robiola Tris“ aus dem Piemont gilt als Rarität, weil er aus Milch von Kuh, Schaf und Ziege gemeinsam hergestellt wird.

Der „Coulommier fermier“ aus dem Ile de France stammt von der Milch eines einzigen Bauernhofes und gibt sich deshalb außerordentlich mild im Geschmack. Der „Brie de Meaux fermier“ wurde 1815 auf dem Wiener Kongress zum „König der Käse“ gekürt. Von einer Nachfahrin der Camembert-Erfinderin Marie Harel stammt ein Produkt, an dem sich Waltmann 1992 die Rechte gesichert hat: Als einziger Käse-Affineur auf der Welt bezieht er sämtliche 600 pro Woche produzierten Schachteln. Die Tradition besagt, dass die Lieferanten der Milch in Sichtweite des Kirchturms liegen müssen, damit die Milch beim Transport geschont wird.

Der Reblochon wurde ursprünglich aus der heimlich nachgemolkenen, der Melkkontrolle unterschlagenen und damit besonders fettreichen Milch hergestellt. Der Brin d’Amour aus Korsika – ein absoluter Klassiker unter den Schafskäsen – wird mit Buschkräutern wie Rosmarin, Thymian, Oregano, Lavendel, Bohnenkraut, Wacholder und Anis ummantelt.

Der Hersteller des Roquefort Carles ist der einzige unter den acht verbliebenen Produzenten, der traditionell sowohl mit Roggenbrot arbeitet als auch in Handarbeit herstellt.

Sein Wissen hat sich Volker Waltmann (44) von Grund auf – wozu auch das Melken von Ziegen und das Ausmisten von Ställen gehörte – in mehrjährigen Aufenthalten in Frankreich angeeignet. Noch heute ist der Zwei-Meter-Mann, der schon als Vierjähriger zu Weihnachten am liebsten mit dem Kaufmannsladen spielte, ständig im Nachbarland unterwegs, um kleine Käsereien zu entdecken.

Viereinhalb Tonnen Käse im feuchten Reifekeller

Viereinhalb Tonnen Käse lagern meist zwischen zehn Tagen und 13 Monaten in den zu 98 Prozent feuchten Reifekellern an der Friedrichstraße. Wenn am Montag neuer Rohmilchkäse aus Paris angeliefert wird, dann duftet es bis zum Neustädter Kirchenplatz. Täglich wird der Käse gewaschen beziehungsweise gerieben, also affiniert – zum Beispiel mit Calvados, Grappa, Wein und Bier – bis zum idealen Reifepunkt.

„Die Grenze der Kapazität ist erreicht“, seufzt der Chevalier der angesehenen Commanderie des Fromages de Saint-Maure de Tourraine. Schon lange sucht er nach neuen größeren Räumlichkeiten, auch für ein Käse-Bistro.

Für Waltmann ist Käse ein Markt der Zukunft – angesichts der Tatsache, dass in Deutschland heute pro Kopf und Jahr 24,2 Kilogramm verzehrt werden, fast sechs Mal so viel wie noch vor 30 Jahren.

Mehr Informationen über das Waltmann in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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