Nach Einsatz auf der A6: "Es darf geweint werden"

19.5.2016, 21:31 Uhr
Am Dienstagabend ereignete sich ein schwerer Unfall auf der A6, bei der eine Mutter und ihre drei Kinder ums Leben kamen.

© NEWS5 / Schwan Am Dienstagabend ereignete sich ein schwerer Unfall auf der A6, bei der eine Mutter und ihre drei Kinder ums Leben kamen.

Wie geht es den Einsatzkräften jetzt, die bei den Unfällen vor Ort waren?

Norbert Thiel: Die Belastung ist nicht neu für uns. In den letzten Jahren haben sich mehrere schwere Unfälle immer an der gleichen Stelle auf der A6 ereignet - immer war ein Lkw beteiligt. Und oft kamen Personen zu Schaden. Besonders schlimm ist es, wenn Kinder betroffen sind. Die meisten von uns haben Familie. Ich selbst habe einen Sohn und eine Tochter. Die Bilder von toten Kindern prägen sich besonders lange in den Kopf ein.

Wie können Sie nachts ruhig schlafen?

Thiel: Wir alle bei der Feuerwehr wissen, dass wir solche unschönen Sachen ab und an zu sehen bekommen werden. Deshalb bilden wir uns daraufhin aus: Es gibt speziell geschulte Kräfte unter uns, die extra für solche Situationen ausgebildet wurden - der sogenannte Psychosoziale Notfalldienst.

In der Theorie klingt das gut. Wie ist die Praxis?

Thiel: Die Kräfte haben wir zum Beispiel bei den Unfällen auf der A6 dazugeholt. Dort haben sie zunächst die Unfallbeteiligten erstbetreut. Danach haben sie mit den zuständigen Feuerwehrleuten gesprochen.

Wie sehen solche Gespräche genau aus?

Thiel: Die Beteiligten treffen sich zu einem Gespräch in der Gruppe. Hier lassen alle den Einsatz noch einmal Revue passieren - mit seinen ganzen Eindrücken und Emotionen. Wem das nicht reicht, der kann jederzeit auch ein Einzelgespräch mit dem Notfalldienst führen. Jeder verarbeitet anders. Und dies gilt für jedes Gespräch: Es darf geweint werden - egal, ob Frau oder Mann.

Und geschieht dies auch?

Thiel: Ja, auch Feuerwehrmänner weinen manchmal. Und das ist überhaupt nicht schlimm.

Norbert Thiel: Seit fast 40 Jahren ist der Hersbrucker mittlerweile im Einsatz.

Norbert Thiel: Seit fast 40 Jahren ist der Hersbrucker mittlerweile im Einsatz. © privat

Sie haben den Vorschlag gemacht, die Betroffenen der beteiligten Feuerwehren nach den schweren Unfällen vom Dienstag für eine Woche vom Dienst freizustellen...

Thiel: Die Feuerwehr Altdorf etwa hat 80 Aktive. Wenn ein paar davon Pause machen wollen, schaffen wir das schon. Bisher jedoch hat sich noch keiner gemeldet.

Ziehen Sie dennoch Konsequenzen aus den Vorfällen?

Thiel: Lange Einsatzzeiten sind wir gewohnt. Und auch, dass die Anzahl der Einsätze permanent zunimmt - drei bis fünf Prozent pro Jahr. Mittlerweile sind wir im Jahr knapp 2000 Mal im Einsatz. Es wird immer mehr, und das in allen Bereichen. Weil die Freiwilligen Feuerwehren öfter zu Hilfe gerufen werden. Zum Beispiel bei dringlichen Türöffnungen: Wenn wir etwa wegen eines Unfalls schnell in eine Wohnung müssen.

Die Anzahl der Einsätze nimmt zu. Gilt das auch für den Nachwuchs?

Thiel: Seit Jahren bemühen wir uns massiv um neue Mitarbeiter in allen Altersgruppen. Aber eigentlich halten wir seit Jahren unseren Personalstand. Für die nächsten fünf bis zehn Jahre mache ich mir keine Sorgen. Viele Feuerwehren haben auch Jugendgruppen.

Bisher stemmen die Ehrenamtlichen der Freiwilligen Feuerwehren alle Einsätze im Nürnberger Land. Würde hier eine Berufsfeuerwehr Abhilfe schaffen?

Thiel: Nein. Das wäre einfach nicht zu bezahlen. Würden all die Ehrenamtlichen in der Region durch Berufsfeuerwehrmänner ersetzt, wären das exorbitant hohe Kosten. Und die Freiwilligen haben eine Stärke: Wir sind über alle Berufsgruppen hinweg tätig. Ich selbst bin Architekt, meine Kollegen sind etwa Handwerker oder Ingenieure. Das hilft im Notfall.
 

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