Abtreibungsmittel im Dessert: Angeklagter muss in Haft

8.7.2016, 16:30 Uhr
Abtreibungsmittel im Dessert: Angeklagter muss in Haft

© NEWS5 / Grundmann

"Es tut mir sehr leid", waren die letzten Worte, die der 23-jährige Angeklagte nach den Plädoyers der Staatsanwaltschaft, der Nebenklage und seines Verteidigers noch zu Protokoll gab. Danach zog sich das Amtsgericht Nürnberg, das als Schöffengericht tagte, zur Urteilsberatung zurück.

Im Raum standen vier Jahre Gefängnis vonseiten des Staatsanwaltes. Der sah es als erwiesen an, dass das Abtreibungsmittel wirkte das Harry H. seiner damaligen Freundin im März vergangenen Jahres in ein Dessert mischte. Das Mittel sei der Grund gewesen, aus dem die 28-jährige Nora M. einen Abgang erlitt. Sie war zu diesem Zeitpunkt in der 15. Woche schwanger. Hinzu kommt der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung: An den Folgen der durch das Medikament ausgelösten Krämpfe und starken Blutungen, so die Meinung von Staatsanwalt Matthias Held, hätte Nora M. sterben können.

Harry H.s Verteidiger sah das anders. Für ihn konnte bis zum letzten von zahlreichen Verhandlungstagen nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob es wirklich das von seinem Mandanten verabreichte Medikament Mifegyne war, das den Abgang des Fötus verursachte. Wegen des großen medialen Echos wurden verschiedene Experten im Verlauf des Prozesses auf den Fall aufmerksam. Ein Arzt aus Österreich meldete sich bei Verteidiger Maximilian Bär und erklärte, dass in den fünf bis sechs Stunden, die zwischen dem Verzehr der mit Mifegyne versetzten Mokkacreme und den beginnenden Krämpfen im Unterleib verstrichen waren, das Medikament noch gar nicht habe wirken können.

Der vom Gericht hinzugezogene medizinische Gutachter berichtete von einer Studie, in der das Mittel bei einigen Frauen eben doch binnen ein bis drei Tagen zum Abgang führte. Bär beantragte deshalb, seinen Mandanten nur wegen eines versuchten Schwangerschaftsabbruchs zu verurteilen, und das für ein Jahr und sechs Monate. "Im Zweifel für den Angeklagten", plädierte Bär.

Das Gericht verurteilte Harry H. schließlich zu drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe. Für ihn spreche freilich, so die Vorsitzende Richterin, dass er bereits bei der ersten Vernehmung durch die Polizei ein umfangreiches Geständnis abgelegt habe. Dennoch sah es das Gericht als erwiesen an, dass das Medikament ursächlich für den Abgang war. Deswegen sei Harry H. nicht wegen eines versuchten, sondern wegen des vollendeten Schwangerschaftsabbruchs in Tateinheit mit der gefährlichen Körperverletzung zu verurteilen.

Vor allem aber war für das Gericht bei der Strafzumessung eines entscheidend: Harry H.s hohe kriminelle Energie. Harry H. fuhr nach Prag, um sich das Abtreibungsmittel zu besorgen, ließ eine Woche vergehen, bis er Nora M. das Dessert servierte. Als sie an diesem Abend nach dem halben Schälchen nicht mehr konnte, fütterte er sie, um sicherzugehen, dass sie die gesamte Portion auf aß. Anschließend ließ er sie die von ihm mitgebrachten Schälchen auswaschen und steckte sogar die Frischhaltefolie wieder ein, die vorher über den Schälchen klebte, um keine Spuren zu hinterlassen.

"In dieser ganzen Zeit hätte man sich oft überlegen können, ob man das wirklich machen will", so die Richterin.