Ein Leben für die süßen Sünden

11.6.2013, 00:00 Uhr
Ein Leben für die süßen Sünden

© Eduard Weigert

Wer durch die Tür der unscheinbaren Backstube in der Keplerstraße tritt, schließt unweigerlich für einen kurzen Moment die Augen und atmet tief durch die Nase ein. Auch was Hausherr Peter Führlbeck gerade zu sagen hat, ist ziemlich weit weg. Der Duft bremst alle anderen Sinne aus. Die Luft ist warm, aber nicht stickig, es riecht süßlich, nach Zucker, Früchten, geschmolzener Schokolade. Und vor allem nach frisch gebackenem Kuchen.

Eine Frohnatur

Der Konditormeister ist diesen süßlichen Duft gewohnt. Er verdient damit seine Brötchen. Aber richtig „satt gerochen“ hat er sich am Odeur seines Arbeitsplatzes nie. Und auch vom eigenen Produkt kriegt der Chef selten genug. Im Gegenteil. „Die Hälfte von dem, was ich esse, ist süß“, sagt Peter Führlbeck und das Grinsen unter seinem Schnauzbart wird noch ein bisschen breiter.

Der 49-Jährige ist eine Frohnatur, das Lächeln scheint ihm überhaupt nur abhandenzukommen, wenn ihm eine Frage gestellt wird, die ihn nachdenken lässt. Die gute Laune, die der Handwerksmeister verbreitet, ist umso erstaunlicher, als er inzwischen seit neun Stunden auf den Beinen ist. Dabei ist es jetzt gerade mal zwölf Uhr mittags.

Um drei Uhr in der Nacht beginnt Peter Führlbecks Arbeitstag. Den startet er mit Kaffee und natürlich etwas Süßem. Ein Stück Torte vom Vortag muss es direkt nach dem Aufstehen und dem kurzen Weg vom Bett in die Backstube, die direkt unter der Wohnung der Führlbecks liegt, aber nicht sein. „Lieber ein Plunderteilchen.“ Die Torte ist gestern übrig geblieben, wird heute nicht mehr verkauft. Sondern nur Frisches.

Auch deshalb ist der Nürnberger schon so früh wach, um als Erstes die eigentlich letzten Arbeitsschritte auf dem Weg zum fertigen Obstkuchen oder der Sahnetorte zu tätigen. Damit die ab acht Uhr in der Auslage seines Ladens glänzen. „Klar, man könnte alles auch am Vortag fertig machen und im Kühlraum lagern. Aber das will ich nicht.“ Also garniert Führlbeck mitten in der Nacht Aprikosen auf eines seiner Werke, gibt der Spanischen Vanille ihren letzten Schliff, trägt Schichten um Schichten Sahne auf — um die Köstlichkeiten dann noch in sein Geschäft zu transportieren.

Das ist nicht, wie bei vielen Bäckern und Pâtissiers, ein paar Schritte vom Backofen entfernt — sondern fünf Kilometer vom Wohnsitz und der Backstube in Glockenhof. In der Ostendstraße verkauft Peter Führlbecks Frau die süßen Sünden. Und am Wochenende der Konditor selbst. Das, sagt er, habe früher gar nicht funktioniert. „Der Verkauf war einfach nichts für mich, da habe ich mich immer zurückgehalten.“ Bis es nicht anders ging, weil Mitarbeiter wegfielen. Inzwischen ist es für den Konditor schön, selbst mit anzusehen, wie seine Backwerke in der „Konditorei Peter“ Stück für Stück kleiner werden. Und die Kunden zufrieden schlemmen.

Geschickte Handgriffe

Am wohlsten aber fühlt sich Peter Führlbeck in der 30 Quadratmeter großen Stube, deren Wände vom Boden bis zur Mitte dick gelb gestrichen und darüber weiß sind. Ein wenig erinnert sogar das an eine Torte. In der Anschlagmaschine rotiert gerade eine Biskuitmasse. Mit wenigen, geschickten Handgriffen verteilt der Konditor die Menge kurze Zeit später in vier verschiedene Formen. Allerdings alle recht klein, wie auch die Torten, für welche die Masse am Ende als Boden dient. „Das habe ich aus meiner Zeit im Hotel übernommen“, sagt der Pâtissier. Er backt lieber klein, auch wenn für Kunden, die erst nachmittags kommen, die Auswahl dann schon mal kleiner ist. „Dafür bleibt wenig übrig.“ In seinem Reich ist Führlbeck ganz allein, hier hat er keine Mitarbeiter, keine Auszubildenden. Solche sind eh schwer zu finden, vor allem engagierter Nachwuchs. „Die Arbeitszeiten sind dabei auch kein gutes Argument.“ Wenn man Konditor wird, sagt er, „dann mit Leib und Seele — sonst schafft man es nicht“.

Ein Leben für die süßen Sünden

© Giulia Iannicelli

Führlbeck hat unweit von hier gelernt, bei der Backstube Fraunholz. Auch weil der Chef sich nicht um das Zeugnis des jungen Mannes mit der Motorradjacke und den damals langen Haaren geschert hat. „Er hat mich einfach nur gefragt, ob ich das wirklich machen will.“ Was er damals geantwortet hat, muss er nicht sagen, es ist auch jetzt noch zu sehen, dass er seinen Beruf liebt. Heute ist Führlbeck „wahrscheinlich so bis 18.30 Uhr beschäftigt“, Bürokram muss er auch noch machen.

Lange sitzen kann er nicht, dann kommt die Müdigkeit. Manchmal muss er aber länger sitzen — beispielsweise, wenn ihm ein künftiges Ehepaar gegenübersitzt. Hochzeitstorten sind immer eine besondere Herausforderung, heute mehr als früher. „Denn jetzt kommen die Kunden schon mal und haben sich ein paar Bilder aus dem Internet ausgesucht. Und wünschen das dann genauso.“ Aber nach einem Gespräch mit dem Pâtissier sieht die Torte oftmals anders aus, persönlicher, individueller.

Das Ausgarnieren gerade von Hochzeitstorten ist Führlbecks Lieblingsaufgabe. Dann legt er die Hand ein letztes Mal an eines seiner Kunstwerke, verpasst ihm noch das i-Tüpfelchen. Bis zu drei Hochzeiten an einem Samstag beliefert er, einmal waren es sogar vier: „Aber das mache ich nicht mehr, da war ich wirklich an der Grenze.“

Leckeres zur Kaffeepause

Der Kuchenbäcker holt die fertigen Biskuitböden aus seinem Ofen. Auch der Rhabarber-Kirsch-Kuchen ist fertig, auf einen anderen Boden kommt Aprikosenmarmelade — am nächsten Tag steht dieses Stück als Schwarzwälder Kirschtorte in der Konditorei. Langsam wird klar, warum Führlbeck nie genug von den Backwaren bekommt. Zur Kaffeepause und nach dem Abendessen langt auch er noch mal zu.

Dick aber ist der Konditor nicht. Weil er auch noch die Zeit für Sport findet. Zum Beispiel zum Eis- oder Rollhockey mit seinen beiden Söhnen. Wann er das macht? „Schon auch mal zwischendurch, wenn es die Zeit zulässt.“ Selbst wenn der Abend dann lang wird und die Nacht kurz. Oder eher: noch kürzer.

Mehr Informationen über die Konditorei Peter in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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