Experte sorgt sich um Kreuzottern in Nürnberg-Eibach

4.6.2013, 06:57 Uhr
Experte sorgt sich um Kreuzottern in Nürnberg-Eibach

© Günter Distler

Klaus Müller wirkt geknickt. „Da schwirren so viele unrichtige Sachen durch die Gegend“, sagt er. Die Rede ist von der Kreuzotter-Population an der Eibacher Schleuse, über die seit einigen Tagen heftig diskutiert wird. Der Auslöser sind sieben erschlagene Schlangen, die in der Nähe des Damms gefunden wurden. Klaus Müller gehört dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) an und hat seit Jahren ein Auge auf die Kreuzotter-Population, für die in Eibach optimale Bedingungen herrschen.

Und die sind komplex. „Kreuzottern benötigen zu verschiedenen Zeiten feuchte und trockene, kühle und sonnige Umgebung“, weiß Müller, der sich ausführlich mit den Tieren beschäftigt hat. Bei den Schlangen, über die momentan vor allem einige Anwohner und viele Tierschützer streiten, handelt es sich laut Müller um „den Rest einer großen Kreuzotter-Population, die seit über 50 Jahren hier lebt, durch den Bau des Hafens geschrumpft ist und hier später einen Platz gefunden hat“.

Damit widerspricht Müller auch Kritik an seiner Person, nach der er und andere Mitglieder des LBV „mächtig in die Natur eingegriffen“ hätten. Das sagt Ulrike Weiß, die aufgrund der Vielzahl an Kreuzottern in Eibach „sehr besorgt“ ist. Ihre Kritik: Entlang des Fußwegs der Schleuse habe man acht Schlangengruben angelegt, um die Population zu fördern.

Mulch ausgelegt

Müller widerspricht. Die Tierschützer hätten lediglich geholfen, den Lebensraum der Kreuzottern zu bewahren, allerdings nur, indem sie vor ein paar Jahren beispielsweise das Gespräch mit dem Wasserwirtschaftsamt suchten. Das wollte alle Büsche an den Dammkronen entlang des Kanals entfernen — auch an der Eibacher Schleuse. „Genau diese Gewächse benötigen die Tiere zu ihrem Schutz.“ Auch habe man Mulchhaufen angelegt, damit sich beispielsweise Zauneidechsen im Gebiet ansiedeln — Futter für die Schlangen.

Im Gebüsch auf der Dammkrone finden die weiblichen Schlangen nach der Paarung Unterschlupf. Die männlichen Kreuzottern, sagt Müller, wandern in dieser Zeit in den Eibacher Forst, an den Waldrand. „Das aber aufgrund der Pheromone immer auf denselben Wegen“, sagt er. Zu 95 Prozent sei deshalb das Schlangen-Aufkommen und der Lebensraum der Tiere bei Anwohnern bekannt. Müller: „Und alle wissen, wie sie sich verhalten müssen.“ Er ist stolz auf die „größte Innenstadt-Population an Kreuzottern“.

Um die sorgt sich Müller aber nun. Denn erstens ist der Bestand sehr viel kleiner als zuletzt angegeben. „Es sind sicher keine 60, sondern maximal 40 Schlangen“, sagt der Experte. Und auch wenn jede weibliche Viper nach der Paarung bis zu zehn Eier legt (dafür nur alle zwei Jahre), „überleben davon maximal zwei Tiere, wenn überhaupt“. Schuld daran sind die natürlichen Feinde: Igel, Greifvogel, Fuchs.

Und der Mensch. Besonders trifft Müller, dass unter den getöteten Schlangen fünf weibliche waren. Er befürchtet eine Auswirkung auf die Population. „Dabei ist es ein Glück, eine solche Spezies hier zu haben“, sagt er. Die bis zu zwölf Jahre alt werdenden Tiere sind sehr besonders, größer als üblich: Weibchen werden 80 Zentimeter lang, Männchen bis zu 70.

Hysterie fehl am Platz

Hysterie sei aber fehl am Platz, sagt Müller. „Eine Schlange wird nie den Angriff suchen und nie ungeschützt auf dem Fußweg liegen.“ Anwohnerin Ulrike Weiß dagegen findet, dass „man von Glück sprechen kann, dass bisher noch kein Kind gebissen wurde“. Sie hält das Gebiet am Hafen für „völlig ungeeignet“ für die Population. Als Gründe nennt sie die waldnahe städtische Bebauung und „weil es ein Naherholungsgebiet ist“.

Die Kommentare auf der Internetseite der NN gehen in eine andere Richtung. Dort herrscht zu großen Teilen Ärger über die Tötung der Tiere. Auch eine Gefahr sehen viele Online-Leser nicht. Viele weisen daraufhin, dass ein Zeckenbiss oder ein Bienen-stich ebenso gefährliche Folgen haben. Leser Michael Glaß freut sich vielmehr an der Population — auch als Lehrbeispiel: „Eine bessere Möglichkeit, Kinder wieder mit Natur in Verbindung zu bringen, gibt es kaum.“

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