Nürnberger Senfladen: Wo Gaumen und Geist lernen können

31.3.2013, 14:50 Uhr
Nürnberger Senfladen: Wo Gaumen und Geist lernen können

© Ralf Rödel

Caramel, Apfel, Champagner oder doch lieber die grob gemahlene Variante mit grünem Urwaldpfeffer? Wer seinen Blick durch die Regale des „Senfladens“ schweifen lässt, dem wird schnell klar, dass seine Zunge bisher ein eher tristes Dasein gefristet hat. „Viele beäugen unseren Senf erst mal kritisch — aber nur, bis sie ihn probiert haben“, sagt Elke Kokott. Gemeinsam mit ihrem Mann Werner betreibt sie seit acht Jahren ihren Senfladen nahe dem Albrecht-Dürer-Haus.

Dabei hatte in der Vita der beiden zuvor nichts darauf hingewiesen, dass sie ihre Erfüllung einst als Mostrich-Botschafter finden würden. Die heute 54-jährige Elke Kokott arbeitete als Modeberaterin einer Textilhauskette, ihr Gatte Werner, heute 60, verdiente sein Geld als Banker. Doch eines schönen Tages flanierten die beiden bei einem Kurzurlaub durch Weimar — und stießen auf einen Senfladen. „Ich war völlig baff, was für eine unglaubliche Auswahl die hatten — so sind wir auf den Geschmack gekommen.“ Da sie sich ohnehin beruflich umorientieren wollten und Nürnberg ihres Wissens nach keinen derartigen Laden hatte, wagten sie den Schritt in die Selbstständigkeit. „Ich dachte erst, mein Mann spinnt — aber dann hab‘ ich eingeschlagen“, erinnert sich Elke Kokott.

Nürnberger Senfladen: Wo Gaumen und Geist lernen können

© Ralf Rödel

Seither stehen sie fast täglich in ihrem kleinen Ladengeschäft, halten hier einen Plausch mit Stammkunden, lassen da einen Touristen am Senftiegel schnuppern. Im Sommer grillen sie Bratwürstchen und bieten den Heerscharen an Menschen, die rund um das Tiergärtnertor auf den Steinen sitzen und in die Sonne blinzeln, ihre Kreationen an.

Doch auch der Geist bekommt hier bei Bedarf Nahrung, in Form einer Einführung in die Geschichte des Senfs. Denn ihn hat nicht, wie mancher Lokalpatriot zu wissen glaubt, ein findiger Bratwurst-Verkäufer aus gemalenen Senfkörnern, Wasser, Essig und Salz gemischt. Bereits vor 3000 Jahren kultivierten die Chinesen die gelb blühende Pflanze. Über Kleinasien gelangte der Kreuzblütler nach Griechenland. Aber nicht, weil man bereits den Geschmack des Gewürzes zu schätzen wusste — vielmehr war es die verdauungsfördernde Wirkung, die man dem Senf bis heute nachsagt. Das erste überlieferte Rezept zur Herstellung einer Paste verfasste der römische Gelehrte Lucius Columella im Jahr 42 nach Christus. Bis der Senf über die Alpen nach Mitteleuropa gelangte und in Frankreich der Aufstieg Dijons zur Senfmetropole begann, dauerte es weitere zwölf Jahrhunderte.

Die Kokotts interessiert nicht nur die Geschichte: Auf der Suche nach geeigneten Lieferanten streifte das Ehepaar durch die Lande, besichtigte Senfmühlen und unterhielt sich mit Gourmets. „Man lernt nie aus, und das macht Spaß“, sagt der freundliche Mann, dem seine Frau vor dem Fototermin noch schnell ein paar verirrte Haare in den Pferdeschwanz gestrichen hat. Um immer wieder Neues im derzeit 230 Sorten umfassenden Angebot zu haben, kreieren die beiden auch selbst Geschmacksrichtungen. So gebe es längst auch Blaukraut- oder Biersenf, den die Mühlen in ihrem Auftrag herstellen.

Muse als Einkaufsbegleiter

90 Prozent ihrer Ware, so Kokott, komme aus Deutschland. Dass sie bislang keine Senfmühle in der Region finden konnten, bedauert sie. An der Qualität ihrer Produkte ändert das aber nichts, die Lieferanten verstünden ihr Handwerk. Der Rohstoff sind braune, gelbe und schwarze Senfkörner, die in einer Maische angesetzt werden. Je länger das Ganze im Zuber bleibt, desto schärfer wird der Senf. „Das richtige Händchen macht’s“, sagt Kokott.

Bereut hat das Paar seinen Schritt in die Selbstständigkeit nicht. Auch wenn es mitunter harte Phasen gibt. „Zu Weihnachten brummt das Geschäft, und danach kracht es erst mal herunter, das ist alle Jahre wieder bitter“, sagt der Ladeninhaber. Und die Lage unterhalb der Burg sei leider längst nicht so gut, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Laufkundschaft gebe es wenig und auch Touristen seien oft zu gehetzt, als dass sie sich in Ruhe die kleinen Läden in der nördlichen Altstadt anschauen würden. Das Dürerjahr, schwärmen beide, das sei toll gewesen. Da hätten die Leute Muse gehabt. „Mehr davon im Alltag würde uns Gewerbetreibenden guttun — und den Kunden auch“, da ist sind sich die Kokotts sicher.

Der Senfladen befindet sich in der Bergstraße 27, (0911) 3944977

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!
 

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