Verantwortungsloser Schuss in einer rechtlichen Grauzone

3.1.2013, 17:19 Uhr
Verantwortungsloser Schuss in einer rechtlichen Grauzone

© dpa

Nur wenige Dinge bringen eine so enorme Verantwortung mit sich wie der Besitz einer scharfen Waffe. Aus diesem Grund müssen Sportschützen und Jäger eine umfangreiche Sachkundeprüfung ablegen, bevor sie Waffenbesitzkarte und Jagdschein erhalten.

Doch während Sportschützen ihre Waffe in der Öffentlichkeit nur ungeladen und nicht zugriffsbereit transportieren dürfen, haben Jäger logischerweise das Recht, Ihre Waffen im Rahmen ihrer Tätigkeit zu “führen”, also geladen und schussbereit bei sich zu tragen. Entsprechend groß muss die Sorgfalt sein, mit der dieses Recht ausgeübt wird.

Gerade angesichts dieser enormen Verantwortung ist ein Verhalten wie das des Jägers, der im Dezember 2012 auf einer belebten Wiese eine Hündin wenige Meter neben ihrem Herrchen erschossen hat, beim besten Willen nicht nachvollziehbar. Und mehr als das: Wer derart verantwortungslos mit einer Schusswaffe umgeht, dem muss mit sofortiger Wirkung die waffenrechtliche “Zuverlässigkeit” aberkannt und damit Waffenbesitzkarte und Jagdschein entzogen werden.

Der immense Imageschaden, den dieser Jäger seinen unbescholtenen Kollegen zugefügt hat, ist ebenfalls nicht zu vernachlässigen, gerät aber angesichts der Ungeheuerlichkeit dieses Schusses beinahe zur Randnotiz.

Besonders intensive emotionale Bindung

Rechtlich ist die Situation klar: Ein Jäger darf Hunde und Katzen in seinem Revier töten, wenn die Tiere wildern. Die Entscheidung, ob ein Tier wildert, liegt allerdings im Ermessen des Jägers selbst. Dennoch: Selbst bei Wilderei - die einem Hund auf einer offenen Wiese nur schwerlich unterstellt werden kann - ist ein Schuss auf ein Haustier immer besonders brisant.

Genau betrachtet ist zwar die Unterscheidung zwischen Tier und Haustier absurd, denn moralisch gesehen ist das Leben eines Hundes an der Leine so wertvoll wie das eines Hasens im Wald. Dennoch aber besteht zu Haustieren zweifellos eine besonders intensive emotionale Bindung, die besonders größere Tiere wie Hunde oder Katzen zu vollwertigen Mitgliedern der Familie machen kann.

Es ist ohnehin schon schmerzvoll, wenn ein Haustier nach Jahren oder Jahrzehnten stirbt. Wenn das Tier aber ohne konkreten Anlass von einem Jäger erschossen wird und - wie in diesem Fall - letzter verbliebener Lebensinhalt eines 76-Jährigen war, ist dieser Schmerz kaum vorstellbar.

Menschen in der Schusslinie

Abgesehen von der Tatsache, dass die “Jagd” auf Haustiere sowohl moralisch als auch rechtlich in einer Grauzone stattfindet, stellt sich darüber hinaus die Frage, warum überhaupt eine Wiese direkt neben einem Wohngebiet bejagt werden muss: Hier besteht stets die Gefahr, dass Menschen und ihre Tiere in die Schusslinie geraten - und der Erholung zuträglich ist das Geräusch von Schüssen auch nicht unbedingt.

Zweifellos kann die Jagd eine wichtige ökologische Funktion erfüllen - aber nicht so. Nicht in Erholungsgebieten direkt neben Wohnsiedlungen, und erst recht nicht unter einer derart eklatanten Missachtung sämtlicher Sicherheitsvorschriften. Und nicht zuletzt: Besonders bei Haustieren hat jeder Jäger die moralische Pflicht, dreimal über seinen Schuss nachzudenken, bevor er abdrückt. Schließlich ist ein Haustier für viele Menschen nicht "einfach nur ein Tier".

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