Plattenbauten und Paläste: Die Geschichte des sozialen Wohnungsbaus

16.6.2013, 07:58 Uhr
Seine Hochzeit hatte der soziale Wohnungsbau im 20. Jahrhundert, doch seine Ursprünge reichen viel weiter zurück. Als einer der frühesten Vorläufer werden oft die Sieben Zeilen in Nürnberg genannt. Diese Arbeitersiedlung wurde 1489 für Weber errichtet, die man aus Augsburg und Ulm angeworben hatte. Ob beim Bau der fünf Zeilen, die erst 1524 um zwei weitere ergänzt wurden, wirtschaftliche oder soziale Gründe überwogen, ist umstritten. Die Weber waren etwa bis zum Ende Nürnbergs als Reichsstadt (1806) in den Sieben Zeilen untergebracht, dann wurde die Siedlung verkauft.
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Sieben Zeilen, Nürnberg

Seine Hochzeit hatte der soziale Wohnungsbau im 20. Jahrhundert, doch seine Ursprünge reichen viel weiter zurück. Als einer der frühesten Vorläufer werden oft die Sieben Zeilen in Nürnberg genannt. Diese Arbeitersiedlung wurde 1489 für Weber errichtet, die man aus Augsburg und Ulm angeworben hatte. Ob beim Bau der fünf Zeilen, die erst 1524 um zwei weitere ergänzt wurden, wirtschaftliche oder soziale Gründe überwogen, ist umstritten. Die Weber waren etwa bis zum Ende Nürnbergs als Reichsstadt (1806) in den Sieben Zeilen untergebracht, dann wurde die Siedlung verkauft. © Hagen Gerullis

Unbestritten eine Sozialsiedlung ist dagegen die Fuggerei in Augsburg, sie gilt als die älteste der Welt. 1521 wurde sie von Jakob Fugger, genannt "der Reiche", gestiftet, dem seinerzeit wichtigsten Kaufmann und Bankier Europas. Die Stiftung war als Unterkunft für bedürftige Augsburger Bürger - vor allem Handwerker und Tagelöhner - gedacht, die nicht selbst in der Lage waren, einen Haushalt zu führen. Die Bedingungen, die Fugger für seine Wohltat erließ...
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Fuggerei, Augsburg

Unbestritten eine Sozialsiedlung ist dagegen die Fuggerei in Augsburg, sie gilt als die älteste der Welt. 1521 wurde sie von Jakob Fugger, genannt "der Reiche", gestiftet, dem seinerzeit wichtigsten Kaufmann und Bankier Europas. Die Stiftung war als Unterkunft für bedürftige Augsburger Bürger - vor allem Handwerker und Tagelöhner - gedacht, die nicht selbst in der Lage waren, einen Haushalt zu führen. Die Bedingungen, die Fugger für seine Wohltat erließ... © Karl-Josef Hildenbrand, dpa

... waren allerdings hart. Bettler wurden nicht aufgenommen, wer einziehen wollte, musste einen guten Leumund haben, aus Augsburg stammen und katholisch sein. Diese Aufnahmebedingungen gelten noch heute. Auch die Miete in Höhe von einem Rheinischen Gulden (umgerechnet etwas weniger als ein Euro) ist gleich geblieben, allerdings müssen die Bewohner der Fuggerei ihre Nebenkosten selbst tragen. Aller frühen Vorläufer zum Trotz - ...
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Fuggerei, Augsburg

... waren allerdings hart. Bettler wurden nicht aufgenommen, wer einziehen wollte, musste einen guten Leumund haben, aus Augsburg stammen und katholisch sein. Diese Aufnahmebedingungen gelten noch heute. Auch die Miete in Höhe von einem Rheinischen Gulden (umgerechnet etwas weniger als ein Euro) ist gleich geblieben, allerdings müssen die Bewohner der Fuggerei ihre Nebenkosten selbst tragen. Aller frühen Vorläufer zum Trotz - ... © Karl-Josef Hildenbrand, dpa

... die eigentliche Zeit des sozialen Wohnungsbaus beginnt in der Weimarer Republik. Ein Beispiel ist die Hufeisensiedlung in Berlin-Neukölln, die die beiden Architekten Bruno Taut und Martin Wagner geplant hatten. Gebaut wurde sie von der GEHAG, einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft. Anfang der 20er waren in Berlin aufgrund der akuten Wohnungsnot viele sozialreformatorische Genossenschaften gegründet worden - bis zu 100.000 Wohnungen fehlten zu dieser Zeit in der Stadt. Die Gestaltung der Hufeisensiedlung...
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Hufeisensiedlung, Berlin

... die eigentliche Zeit des sozialen Wohnungsbaus beginnt in der Weimarer Republik. Ein Beispiel ist die Hufeisensiedlung in Berlin-Neukölln, die die beiden Architekten Bruno Taut und Martin Wagner geplant hatten. Gebaut wurde sie von der GEHAG, einer gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft. Anfang der 20er waren in Berlin aufgrund der akuten Wohnungsnot viele sozialreformatorische Genossenschaften gegründet worden - bis zu 100.000 Wohnungen fehlten zu dieser Zeit in der Stadt. Die Gestaltung der Hufeisensiedlung... © Euroluftbild/lbn/dpa

... orientiert sich trotz des spektakulären Grundrisses an schlichter Funktionalität, Grün- und Freiflächen wird dabei allerdings ein großer Raum gelassen. Insgesamt besteht die Hufeisensiedlung aus 1072 Wohnungen, 472 davon in Einfamilienhäusern, 600 weitere in dreistöckigen Miethäusern. Die Hufeisensiedlung steht inzwischen unter Denkmalschutz und zählt zusammen mit fünf weiteren Berliner "Siedlungen der Moderne"  wie der Gartenstadt Falkenberg zum UNESCO-Weltkulturerbe.
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Hufeisensiedlung, Berlin

... orientiert sich trotz des spektakulären Grundrisses an schlichter Funktionalität, Grün- und Freiflächen wird dabei allerdings ein großer Raum gelassen. Insgesamt besteht die Hufeisensiedlung aus 1072 Wohnungen, 472 davon in Einfamilienhäusern, 600 weitere in dreistöckigen Miethäusern. Die Hufeisensiedlung steht inzwischen unter Denkmalschutz und zählt zusammen mit fünf weiteren Berliner "Siedlungen der Moderne" wie der Gartenstadt Falkenberg zum UNESCO-Weltkulturerbe. © dpa

Aus der gleichen Zeit wie die Hufeisensiedlung stammt die Hellerhof-Siedlung im Frankfurter Stadtteil Gallus. Von 1929 bis 1932 baute der niederländische Architekt Mart Stam im Auftrag des Stadtplaners Ernst May knapp 1200 Wohnungen. Sein Ziel: Gesunder, bezahlbarer Wohnraum für alle. Die Arbeiter sollten raus aus den engen, oft heillos überfüllten Mietskasernen, in denen sich oft mehrere Familien eine kleine Wohnung teilten. Doch die Mietpreisspirale machte auch vor der Hufeisensiedlung nicht halt. Kostete der Erstbezug noch 70 Reichsmark, liegt die Miete einer rund 65 Quadratmeter großen Wohnung heute bei 900 Euro.
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Hellerhof-Siedlung, Frankfurt

Aus der gleichen Zeit wie die Hufeisensiedlung stammt die Hellerhof-Siedlung im Frankfurter Stadtteil Gallus. Von 1929 bis 1932 baute der niederländische Architekt Mart Stam im Auftrag des Stadtplaners Ernst May knapp 1200 Wohnungen. Sein Ziel: Gesunder, bezahlbarer Wohnraum für alle. Die Arbeiter sollten raus aus den engen, oft heillos überfüllten Mietskasernen, in denen sich oft mehrere Familien eine kleine Wohnung teilten. Doch die Mietpreisspirale machte auch vor der Hufeisensiedlung nicht halt. Kostete der Erstbezug noch 70 Reichsmark, liegt die Miete einer rund 65 Quadratmeter großen Wohnung heute bei 900 Euro. © Frank May, dpa

In etwa der gleichen Zeit wie die Hellerhof-Siedlung entstand in Nürnberg die Siedlung Nordostbahnhof. Von 1929 bis 1932 wurden über 1500 Wohnungen nach den Vorstellungen des Architekten Karl Sorg errichtet. In ihrer heutigen Form wurde die Siedlung aber erst in den 50ern fertiggestellt, erst in dieser Zeit wurde sie nach und nach mit in die Stadt eingebunden. Heute leben fast 4000 Menschen in Nordostbahnhof, die Siedlung gehört der städtischen WBG und steht teilweise unter Denkmalschutz.
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Siedlung Nordostbahnhof, Nürnberg

In etwa der gleichen Zeit wie die Hellerhof-Siedlung entstand in Nürnberg die Siedlung Nordostbahnhof. Von 1929 bis 1932 wurden über 1500 Wohnungen nach den Vorstellungen des Architekten Karl Sorg errichtet. In ihrer heutigen Form wurde die Siedlung aber erst in den 50ern fertiggestellt, erst in dieser Zeit wurde sie nach und nach mit in die Stadt eingebunden. Heute leben fast 4000 Menschen in Nordostbahnhof, die Siedlung gehört der städtischen WBG und steht teilweise unter Denkmalschutz. © Michael Matejka

Nach Ende des 2. Weltkrieges führten die Zerstörungen in den deutschen Städten und der Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen zu erheblicher Wohnungsnot. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR musste der Staat mit einer aktiven Wohnungspolitik reagieren. In der Deutschen Demokratischen Republik bedeutete das ein staatliches Massenwohnungsbau-Programm. Plattenbauten, wie die Siedlung auf dem Foto in Berlin-Marzahn entstanden jedoch erst in den 70ern. Zuvor...
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Plattenbauten, Berlin-Marzahn

Nach Ende des 2. Weltkrieges führten die Zerstörungen in den deutschen Städten und der Zustrom von Vertriebenen und Flüchtlingen zu erheblicher Wohnungsnot. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR musste der Staat mit einer aktiven Wohnungspolitik reagieren. In der Deutschen Demokratischen Republik bedeutete das ein staatliches Massenwohnungsbau-Programm. Plattenbauten, wie die Siedlung auf dem Foto in Berlin-Marzahn entstanden jedoch erst in den 70ern. Zuvor... © Peer Grimm, dpa

... entstanden in den 50ern Bauten im Stile des Sozialistischen Klassizismus. Auf dem Bild sind die Türme am Frankfurter Tor an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain zu sehen. Aufgrund der Monumentalität der Bauten und der teils übertriebenen Ornamente wird dieser Architekturstil gerne auch als "Zuckerbäckerstil" bezeichnet. Den Anfang an der DDR-Vorzeigestraße machte 1952 das Hochhaus an der Weberwiese, 90.000 Mark kostete der Prachtbau - pro Wohnung wohlgemerkt. Im Gegensatz zu den engen Räumen, die man von Berliner Mietshäusern sonst gewohnt war, boten Wohnungen in der Karl-Marx-Allee viel Platz und bürgerlichen Komfort. Vor allem Arbeiterfamlien konnten hier einziehen. Der aufwändige Sozialistische Klassizismus...
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Karl-Marx-Allee, Berlin

... entstanden in den 50ern Bauten im Stile des Sozialistischen Klassizismus. Auf dem Bild sind die Türme am Frankfurter Tor an der Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain zu sehen. Aufgrund der Monumentalität der Bauten und der teils übertriebenen Ornamente wird dieser Architekturstil gerne auch als "Zuckerbäckerstil" bezeichnet. Den Anfang an der DDR-Vorzeigestraße machte 1952 das Hochhaus an der Weberwiese, 90.000 Mark kostete der Prachtbau - pro Wohnung wohlgemerkt. Im Gegensatz zu den engen Räumen, die man von Berliner Mietshäusern sonst gewohnt war, boten Wohnungen in der Karl-Marx-Allee viel Platz und bürgerlichen Komfort. Vor allem Arbeiterfamlien konnten hier einziehen. Der aufwändige Sozialistische Klassizismus... © Hans Wiedl, dpa

... ließ sich aber nur an bestimmten, ausgewählten Punkten realisieren. Im sächsischen Hoyerswerda (Foto) wurde ab 1957 in größerem Umfang mit der Plattenbauweise experimentiert. Wichtig wurde diese Bauweise aber vor allem in den 70ern - mit einem staatlichen Bauprogramm sollte die Wohnungsnot bis zum Jahr 1990 beseitigt werden. So wurden ganze Stadtteile aus der Erde gestampft, der schnell ausführbaren Fertigbauweise sei Dank.
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Plattenbauten, Hoyerswerda

... ließ sich aber nur an bestimmten, ausgewählten Punkten realisieren. Im sächsischen Hoyerswerda (Foto) wurde ab 1957 in größerem Umfang mit der Plattenbauweise experimentiert. Wichtig wurde diese Bauweise aber vor allem in den 70ern - mit einem staatlichen Bauprogramm sollte die Wohnungsnot bis zum Jahr 1990 beseitigt werden. So wurden ganze Stadtteile aus der Erde gestampft, der schnell ausführbaren Fertigbauweise sei Dank. © Oliver Killig, dpa

Auch im Westen entstanden nach dem 2. Weltkrieg Trabantensiedlungen mit Sozialwohnungen, so etwa die Gropiusstadt, die zwischen 1962 und 1975 in Berlin-Neukölln entstand. Gebaut wurde die Siedlung fast ausschließlich von städtischen Wohnungsbaugesellschaften. In Westdeutschland stand die Förderung von kommunalen Wohnungsgesellschaften und privaten Investoren bei der Schaffung von Wohnraum lange im Mittelpunkt sozialer Wohnungspolitik. Allerdings verzeichnete...
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Gropiusstadt, Berlin

Auch im Westen entstanden nach dem 2. Weltkrieg Trabantensiedlungen mit Sozialwohnungen, so etwa die Gropiusstadt, die zwischen 1962 und 1975 in Berlin-Neukölln entstand. Gebaut wurde die Siedlung fast ausschließlich von städtischen Wohnungsbaugesellschaften. In Westdeutschland stand die Förderung von kommunalen Wohnungsgesellschaften und privaten Investoren bei der Schaffung von Wohnraum lange im Mittelpunkt sozialer Wohnungspolitik. Allerdings verzeichnete... © dpa

... der soziale Wohnungsbau ab den 90ern einen dramatischen Bedeutungsverlust. Die Zahl der Sozialwohnungen betrug Ende der 80er noch fast vier Millionen, 2012 waren es weniger als 1,7 Millionen. Ursachen sind unter anderem der langsame Rückzug des Bundes aus der Förderung, sowie die chronische Finanznot vieler Kommunen, die vielerorts keine Neubauten zulässt. Viele Altbestände des Sozialen Wohnungsbaus werden zudem privatisiert. So auch die Wohnungen der GBW, der...
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GBW-Wohnungen, Nürnberg

... der soziale Wohnungsbau ab den 90ern einen dramatischen Bedeutungsverlust. Die Zahl der Sozialwohnungen betrug Ende der 80er noch fast vier Millionen, 2012 waren es weniger als 1,7 Millionen. Ursachen sind unter anderem der langsame Rückzug des Bundes aus der Förderung, sowie die chronische Finanznot vieler Kommunen, die vielerorts keine Neubauten zulässt. Viele Altbestände des Sozialen Wohnungsbaus werden zudem privatisiert. So auch die Wohnungen der GBW, der... © Alexander Brock

... gemeinnützigen, bayerischen Wohnungsbaugesellschaft. Ihre Muttergesellschaft, die Bayerische Landesbank, musste von dem Erlös einen Teil der Staatshilfen zurückzahlen, die sie für ihre Rettung während der Bankenkrise erhaltenen hat. Von den bayernweit 33.000 Wohnungen waren in Nürnberg und Erlangen rund 5300 Wohnungen betroffen. Den Zuschlag erhielt der Augsburger Immobilienkonzern Patrizia. Viele Mieter befürchten als Folge drastische Mieterhöhungen.
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GBW-Wohnungen, Nürnberg

... gemeinnützigen, bayerischen Wohnungsbaugesellschaft. Ihre Muttergesellschaft, die Bayerische Landesbank, musste von dem Erlös einen Teil der Staatshilfen zurückzahlen, die sie für ihre Rettung während der Bankenkrise erhaltenen hat. Von den bayernweit 33.000 Wohnungen waren in Nürnberg und Erlangen rund 5300 Wohnungen betroffen. Den Zuschlag erhielt der Augsburger Immobilienkonzern Patrizia. Viele Mieter befürchten als Folge drastische Mieterhöhungen. © Stefan Hippel

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