Alfred Kohler: Selbst der Louvre kaufte seine Bilder

14.12.2013, 09:50 Uhr
Alfred Kohler: Selbst der Louvre kaufte seine Bilder

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„Dabei war er ein weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Künstler“, sagt der Schwabacher Heimatforscher Friedrich Seyfert, der deshalb Leben und Werk 1984 verstorbenen Künstlers nachgezeichnet hat und in Erinnerung ruft:

Ein Blick in „Wikipedia“, in das „Historische Stadtlexikon Schwabach“, in „Meisterhafte Aquarelle“ (Werksverzeichnis) von D.M Klinger und in vielen Gesprächen unter anderem mit seinem Sohn Emanuel und seiner Tochter Georgia verraten Einiges über diesen international bedeutenden Schwabacher Künstler.

Alfred Kohler: Selbst der Louvre kaufte seine Bilder

Alfred Kohler war ein großer hagerer Herr, häufig zu sehen auch mit langem Mantel und Baskenmütze, der immer mit einer Papierrolle unter dem Arm durch die Schwabacher Straßen ging. Als Eidetiker verfügte er über die Fähigkeit, Bilder wie fotografisch im Gedächtnis zu speichern und anschließend wiederzugeben. Er gehörte zu den letzten deutschen Vertretern der „Klassischen Moderne“.

Familiäres

Alfred Kohler wurde am 6. November 1916 als jüngster Sohn von vier Kindern der Goldschlägereheleute Georg und Helena Kohler in Schwabach geboren. Die Blattgoldschlägerei befand sich in der Petzoldstraße 7. Seine Mutter war in erster Linie Hausfrau, arbeitete aber als Goldbeschneiderin im Familienbetrieb mit. So wuchs er in einem relativ wohlhabenden und behüteten Elternhaus auf.

Alfred Kohler war zweimal verheiratet. Vier Kinder hatte er aus erster Ehe (1938) mit Johanna Kristfeld. Aus zweiter Ehe (1970) mit Paula Behmer gingen zwei Töchter hervor, wobei die erste im Kindesalter verstarb.

Während seine erste Ehefrau Johanna mit 102 Jahren heute noch in Nürnberg lebt, ist seine zweite Ehefrau Paula bereits 1994 verstorben. Nach schwerer Krankheit starb Alfred Kohler mit 68 Jahren am 28. Dezember 1984 in Unterreichenbach und liegt auf dem dortigen Friedhof begraben.

Schule und Ausbildung

Von 1927 bis 1933 besuchte er das Schwabacher Progymnasium (heute Adam-Kraft-Gymnasium). Hier erkannte sein Zeichenlehrer, Professor Friedrich Hellmuth, schon sehr bald sein besonderes Talent und förderte seine Begabung.

Alfred Kohler: Selbst der Louvre kaufte seine Bilder



Alfred Kohler: Selbst der Louvre kaufte seine Bilder

Ab 1933 bis 1935 erhielt er bei Hans Werthner und Hermann Gradl an der Staatsschule für angewandte Kunst in Nürnberg seine künstlerische Ausbildung. Gradl bezeichnete ihn als seinen besten Schüler.

Danach studierte er bei Carl Caspar an der Akademie der bildenden Künste in München, wo er mit 18 Jahren der jüngste Kunststudent war. Nach einem Semester wurde er Meisterschüler, 1937 verließ er die Akademie, blieb aber noch für ein Jahr in München.

„Entartete Kunst“

Ab 1938, nach Schwabach zurückgekehrt, stellte er — mit Unterbrechung im „Dritten Reich“ — bis etwa 1970 neben anderen Größen seiner Zeit, wie Beckmann, Corinth, Heckel (mit dem Kohler befreundet war), Klee, Kokoschka und Nolde in der bekannten Münchner Galerie Günter Franke in festen Ausstellungen aus. Dies eröffnete ihm eine neue Welt.

Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurden seine Bilder bald darauf der „entarteten Kunst“ zugeordnet, so dass er Schwierigkeiten hatte, an Malmaterialien (Farben, Leinwand, Pinsel) zu kommen. Von 1938 bis 1945 wurde er mit einem absoluten Verkaufsverbot belegt. 1941 wurde seine Wohnung mit dem Atelier in der Reichswaisenhausstraße 6 bei einem Fliegerangriff der Engländer auf Schwabach zerstört, so dass er wieder von vorne beginnen musste. Das Haus wurde wieder aufgebaut und er zog mit seiner Familie in die Dachgeschosswohnung ein, in der er viele Jahre in bescheidenen Verhältnissen wohnte.

1947 wurden seine Werke bei der Ausstellung „Kunst mit neuen Augen“ in der Fränkischen Galerie am Marientor in Nürnberg neben Werken von E. Barlach, Max Beckmann, Erich Heckel, Carl Hofer, Gerhard Marcks und Emil Nolde gezeigt. Im selben Jahr erhielt Kohler eine Förderung durch den Kunstschutzoffizier A. Kormendy der US-Streitkräfte als im NS-Deutschland verfolgter Künstler. Durch den Offizier gelangten einige Werke in die USA, wo sie allerdings verschollen sind.

Schwieriges Künstler-Leben

Gleichzeitig war Kohler Mitbegründer der Künstlergenossenschaft „Der Kreis“ und Mitglied der Künstlergruppe „Die Hütte“. Er lebte eine Art Künstlerleben, das durch häufige wirtschaftliche Engpässe gekennzeichnet war.

In den 1950-er Jahren fertigte er Entwürfe für Glasfenster für das ehemalige Meistersinger-Konservatorium Nürnberg (seit 2008 Stadtbibliothek) und 23 runde und ovale Glasbilder für das 1954 erbaute Neue Rathaus Nürnberg am Hauptmarkt sowie ein großformatiges Ölgemälde mit einer Stadtansicht von Nürnberg für das Planetarium, welches auf dem Dach des Plärrer-Hochhauses gemalt wurde. Dieses sicher äußerst interessante Gemälde ist leider bei der Stadt Nürnberg nicht mehr auffindbar, was einen großen kulturellen Verlust darstellt. Außerdem gestaltete er Mosaike für die Leonischen Drahtwerke in Nürnberg und Roth.

In Schwabach seiner Heimatstadt sucht man in und an öffentlichen Gebäuden seine Werke vergeblich. Das einzige heute leider nicht mehr vorhandene Kunstwerk (Gemälde) schmückte ab 1951 über Jahrzehnte den Nordgiebel des Wohnblocks Werkvolkstraße 2 a - c.

Der Heimatforscher Heinrich Kraus berichtet in seinem 1953 erschienenen Buch „Die schöne Schwabacher Heimat“ hierzu: „Besonders die malerische Ausschmückung von Hausfassaden verdient im Interesse der äußeren Schönheit des Stadtbildes Nachahmung. So wurde der Baukomplex der Siedlung des Katholischen Werkvolkes Schwabach künstlerisch bekrönt durch Anbringung des würdig-schönen in Sgrafitto-Technik geschaffenen Bildes des Zimmermanns- und Arbeiterpatrons Josef mit der Aufschrift: ,Hl. Josef, Gott segne die christliche Arbeit!’ (von der Meisterhand des Schwabacher Kunstmalers Alfred Kohler).“

Bereits 1963 stand im Schwabacher Tagblatt zu Alfred Kohler zu lesen: „Der Prophet gilt nichts in seiner Stadt“.

Unterstützung durch NN

Seine Mäzene in dieser für Künstler schwierigen Nachkriegszeit waren unter anderem Dr. Joseph E. Drexel, erster Verleger der Nürnberger Nachrichten und Bruno Schnell, sein Nachfolger, die Universa-Versicherung, die Leonische Drahtwerke Nürnberg und Roth.

Wie Bruno Schnell – der selbst faszinierende Berglandschaften in Österreich und Südtirol, aber auch seine fränkische Heimat in Ölgemälden festhielt - zu erzählen weiß, unterstützte er gerne Alfred Kohler über viele Jahre bis zu dessen letzten Schaffensjahr 1984 fortwährend durch Ankauf von Gemälden. Diese schmücken heute noch neben Werken anderer Künstler die Räumlichkeiten seines Bürogebäudes in der Marienstraße in Nürnberg.

Aber auch Galerien, Ärzte, Rechtsanwälte, Notare und Kunstliebhaber erwarben seine Werke. Viele halfen so mit, den Lebensunterhalt des Künstlers und seiner Familie zu sichern.

Eine besondere freundschaftliche Beziehung scheint er zu dem evangelischen Pfarrer Walter Grießhammer von Thalmässing gehabt zu haben. Aus Aufzeichnungen des Hochbauamtes Nürnberg geht hervor, dass er von 1948 bis 1962 viele Schulen und andere öffentliche Einrichtungen mit seinen Werken ausgestattet hat. Somit war er einer der größten Kunstgestalter an Gebäuden in Nürnberg.

Ein Jahr in Paris

1974/75 verbrachte er mit seiner Familie etwa ein Jahr in Paris, wo er Landschaftsbilder gut verkaufen konnte. Wegen Einschulung seiner Tochter Georgia zogen sie 1975 zunächst nach Nürnberg und 1981 wieder nach Schwabach zurück.

Ab 1979 förderte ihn ein Mäzen, den er seit den 1960-er Jahren kannte. Seine anfänglich steile Karriere ging jedoch bald wieder abwärts und wie bei so manchen Künstlern, überwog bis zu seinem Lebensende der Existenzkampf.

Die Nachfrage nach Kunst ging in dieser Zeit zurück. Alfred Kohler malte bevorzugt Aquarelle. Seine Themen waren Blumen, Landschaften, Stillleben, Porträts aber auch erotische Szenen. Sein Markenzeichen sind seine großformatigen Blumenaquarelle, die in Ausdruck und Leuchtkraft denen von Emil Nolde in keiner Weise nachstehen.

In vielen Ausstellungen ab 1946 in Nürnberg, München, aber auch in Berlin, Paris, Amsterdam und Bolognia wurden seine Werke einem breiteren Publikum dargeboten, zuletzt im Jahre 1991 im Nürnberger Forum für Kunst und Geist.

Berühmte Käufer

Wie er selbst schriftlich festhielt, wurden seine Werke unter anderem von Louvre Paris (sechs Bilder) --- siehe Aktualisierung am Textende ---, der Neuen Pinakothek München (neun Bilder), der Städtischen Galerie München (16 Bilder), dem Museum für Modern Art (Guggenheim) in New York (zwei Bilder) angekauft. Auch die Stadt Schwabach (Stadtmuseum) besitzt elf sehr schöne Bilder (Blumen, Landschaften, Akte) von ihm.

Die Frage des heutigen Wertes seiner Bilder ist schwer zu beantworten. Realistisch dürfte er zwischen 200 und 1000 Euro liegen, je nach Motiv und Qualität. Verlangt werden teilweise Preise von etwa 2000 bis 5000 Euro.

Im Gedenken an diesen bedeutenden Fränkischen Künstler hat die Stadt Schwabach im Jahre 2008 eine Straße nach ihm benannt. Diese befindet sich im Neubaugebiet der sogenannten „Feng-Shui-Siedlung“ (Nahe der Waikersreuther Straße).

Ausstellung?

Seine Werke hätten es sicher verdient, auch einmal in einer Ausstellung in seiner Heimatstadt Schwabach gezeigt zu werden, vielleicht im Jahre 2016 zu seinem 100. Geburtstag oder zum Stadtjubiläum 2017. Aber auch für die 2014 neu zu eröffnende Kunstvilla der Stadt Nürnberg sollte er für eine Ausstellung prädestiniert sein.

Ob sich beim Münchner Sensationsfund „Gurlitt“ über rund 1400 Kunstwerke auch welche von Alfred Kohler befinden, wurde bisher nicht mitgeteilt.

Unwahrscheinlich ist dies nicht, da er ein Künstler dieser Zeit war, sogenannte „Entartete Kunst“ geschaffen hat und seine Werke damals in München (Galerie Günter Franke) ausgestellt und vermarktet wurden.

Anmerkung bzw. Aktualisierung (am 4. Dezember 2015):

2016 würde Alfred Kohler seinen 100. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass würdigt ihn seine Heimatstadt Schwabach mit zwei Kohler-Ausstellungen und der Veröffentlichung eines Heftes mit dem Titel „Natürlich im Bilde!“.

Kein Kohler-Werk im Louvre

Die Schwabacher Kunsthistorikerin Dr. Christine Demele hat die erste wissenschaftliche Darstellung von Kohlers Leben (1916 –1984) und Werk erarbeitet. Bei ihren umfangreichen Recherchen ist sie auch auf neue Erkenntnisse gestoßen. Sie hat zunächst etwas herausgefunden, was manchen Kohler-Fan zunächst etwas enttäuschen könnte: „Im Internet wird gerne kolportiert, dass Kohler-Werke sich sogar im Louvre in Paris oder im Guggenheim in New York befinden. Wir haben dort nachgefragt: Die Museen haben das verneint. Ebenfalls heißt es, dass er ein Schüler Noldes gewesen sei. Das war er nachweislich nicht.“

 

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