"Like Me": Bamberger Uraufführung über Cyber-Mobbing

13.4.2016, 09:25 Uhr

© Werner Lorenz

Ein Leben auf der (digitalen) Überholspur: zu viel Vodka, zu viel Party, zu viel Inszenierung des Privaten in der virtuellen Öffentlichkeit. So lebt und strebt Elena gemeinsam mit ihrer Freundin Melanie Hirschfeld (flippig: Olga Seehafer). Social media ist das Mantra, die Anzahl der Video-Channel-Aufrufe und Facebook-Likes sind die harte Währung in der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen.

Bewaffnet mit einem Deppenzepter, pardon: Selfiestick, regieren die selbst ernannten Topmodel-Queens ihre Welt mit eiserner Hand, denn "alles existiert, um als Fotografie zu enden." Unter stetigem Inszenierungs- und Optimierungszwang ist das Beste gerade gut genug. Wer ausschert, wird runter geputzt, um Verständnis wird hingegen nicht geworben: "Ihr könnt uns nicht begreifen, ihr könnt uns nicht greifen. Wir haben keine Moral. Wir haben keine Identität. Wir haben Facebook. Wir sind alle und keiner."

Als der Inszenierungsschwindel einer Mitschülerin auffliegt, wittern Elena und Melanie, getrieben von Eifersucht und Profilierungsdrang, die Möglichkeit sie per Klassenchat und gefälschter Webside medial hinzurichten. Eher unbewusst wird der besonnene Schülersprecher Jan Wilke (kongenial: Martin Habermeyer) zur Schachfigur innerhalb der sich kumulativ verstärkenden Hetzkampagne. Seine Unterstützungsangebote werden zur Farce. Als die unbedarften Jugendlichen während eingeschobener Verhör-Sequenzen das Ausmaß ihres Handelns zu umreißen beginnen, scheint es längst zu spät. Der Vater der Unglücksseeligen versucht indes, die virtuellen Vorgänge in der für ihn so fremd anmutenden Welt schlicht zu begreifen.

Vom digitalen "Dissen" und realen Konsequenzen

In der gemeinschaftlichen Produktion haben sich Nina Lorenz und Thomas Paulmann einem Brennpunkt-Thema, fernab der Leichtigkeit eines "Casanova" angenommen. Ein Wagnis, welches nahezu uneingeschränkt gelingt. Der berechtigte Hinweis nach mehr Sensibilität in puncto Urheberrecht, Privatsphäre und individuellem Glücksanspruch, fernab meinungsbildender, empathieloser Massen, wird theatral geschickt verpackt. Die drei juvenilen Darsteller verkörpern die Teenager samt basaler Sprache ("Mainstream-Trulla", "Seelen-Striptease") in glaubwürdiger Art und Weise und begeistern durch ihre engagierte Darbietung. Bach macht die Verzweiflung des Vaters empathisch greifbar, kann sich aufgrund der Anlage seiner Rolle aber weit weniger entfalten als noch in "Er ist reif". Jakob Fischer sorgt für zeitgemäße musikalische Untermalung der Partyszenen. Eine Metronom-App und zwei abgewandelte Musikclips akzentuieren das Geschehen akustisch. Während sich die Relevanz beständig verschobener, farblich blinkender Würfel als nahezu einzige Requisiten nicht vollends erschließt, funktioniert eine Chat-Wiedergabe über emojis erstaunlich gut. Die Kostümwahl des Ensembles balanciert gelungen zwischen alltäglich und stylisch. Insgesamt eine gelungene Uraufführung, welche mit tragischen Volten aufwartet.

Zwischen April und Dezember sind Schulbuchungen von "Like Me" möglich. Begleitend zur Uraufführung findet am 17. April in Kooperation mit der Theaterschule Bamberg ein Workshop unter der Leitung von Weber für Jugendliche (13–18 Jahre) statt. Das nächste TiG-Stück wird eine Freilichtaufführung sein. Ab 17. Juni wird Dr. Jekill & Mr. Hyde in der Oberen Königsstraße zum Besten gegeben.

Like Me
Inszenierung: Nina Lorenz
Musik: Jakob Fischer
Regiehospitanz: Tessa Friedrich
Layout: David Grimm
Alte Seilerei, 9-11, Schäfflergelände
weitere Vorstellungen: 15. und 16. April 2016, Beginn 20 Uhr.

Verwandte Themen


Keine Kommentare