Gerichtsakte gestohlen: "Reichsbürgerin" muss in Haft

30.3.2017, 18:38 Uhr
Nach einer Flucht bis nach Spanien wird die mutmaßliche "Reichsbürgerin" nun wieder verurteilt. (Symbolbild)

© dpa Nach einer Flucht bis nach Spanien wird die mutmaßliche "Reichsbürgerin" nun wieder verurteilt. (Symbolbild)

Zahlreiche Polizisten und Justizwachtmeister machten das Amtsgericht in Kaufbeuren am Donnerstag zu einem Hochsicherheitsgebäude. Denn die tumultartigen Szenen, die sich vor 14 Monaten in dem Justizgebäude im bayerischen Allgäu abgespielt hatten, sollten sich nicht wiederholen. Damals hatte eine Gruppe von sogenannten Reichsbürgern eine Verhandlung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gesprengt, die Angeklagte hatte vom Richtertisch ihre Strafakte gestohlen und war mit den Unterstützern aus dem Gebäude getürmt. Nun bekam die 51-Jährige dafür ein Jahr und zwei Monate Gefängnis. Bewährung gab es für die vielfach vorbestrafte Frau nicht.

Für die Angeklagte, die als Beruf "Heilerin" angab, war es ein Wiedersehen mit demselben Gerichtssaal, in dem sie im Januar 2016 mit ihren Freunden eine "Reichsbürger"-Show abgezogen hatte. Nach dem Plädoyer des Staatsanwalts brach damals Chaos aus, Zuschauer standen auf und spendeten Beifall. Die Richterin unterbrach die Sitzung und ging aus dem Raum, um Justizbeamte zur Hilfe zu holen.

Dann ging die Angeklagte nach vorne, nahm ihre Akte und warf sie einem Helfer zu. Die Störer gaben lautstark krude Ansichten zur Rechtmäßigkeit von Staat und Justiz von sich und erklärten die Akte für "beschlagnahmt". Dies alles wurde mit einem illegalen Video dokumentiert, das später im Internet veröffentlicht wurde.

Nachdem sie im vergangenen Jahr zum ersten Prozess wegen des Aktendiebstahls nicht erschienen war, wurde die Frau vor etwa fünf Wochen an ihrem neuen Wohnort in Spanien festgenommen und an Deutschland ausgeliefert. Gegen vier Helfer sind Strafbefehle erlassen worden, wovon zwei bereits rechtskräftig sind. Der Fall eines 39-Jährigen soll am 11. Mai in Kaufbeuren verhandelt werden. Er hatte Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt.

Die inzwischen in der Justizvollzugsanstalt Memmingen inhaftierte Hauptbeschuldigte wollte sich in ihrer Verhandlung zu den Vorwürfen nicht äußern. Doch Amtsrichter Sebastian Pottkamp konnte auf die Aussage der Angeklagten ebenso verzichten wie auf Zeugen. Ihm reichte das sichergestellte Video und die Aussage der 51-Jährigen bei der Ermittlungsrichterin in München nach der Auslieferung. Dort hatte sie den Diebstahl zugegeben.

Bei der Haftrichterin und auch am Donnerstag betonte die Frau, dass sie keine "Reichsbürgerin" sei. Gleichzeitig machte sie aber klar, dass sie "mit dem System in Deutschland nicht einverstanden" sei und auch das Gericht ablehne. Die "Reichsbürger" sehen generell die Bundesrepublik nicht als Staat an und behaupten, das Deutsche Reich bestehe fort.

Nachdem die Frau wegen Fahrens ohne Führerschein bereits rechtskräftig zu acht Monaten Haft verurteilt war, verhängte der Richter für den Aktendiebstahl nun die gleiche Strafe. Aus den beiden Einzelurteilen bildete Pottkamp die Gesamtstrafe von 14 Monaten Haft. Er schloss sich damit dem Staatsanwalt an, der Pflichtverteidiger hielt 10 Monate für ausreichend. Nach 45 Minuten war das Verfahren beendet – ganz ohne "Getobe und Geschrei", wie der Ankläger das Geschehen vor 14 Monaten umschrieb.

Allerdings war der Prozess wegen der extremen Kontrollen der Justiz erst mit einer halben Stunde Verspätung gestartet. Etliche Zuschauer wollten in den Saal, mussten sich ausweisen und wurden auf Waffen und Handys abgetastet. Der Staatsanwalt nahm das große Publikumsinteresse mit Humor, als er geduldig auf den Sitzungsbeginn wartete: "Hauptsache, die lassen die Akten in Ruhe."