28-Stunden-Woche? Warum die Diskussion notwendig ist

10.10.2017, 14:23 Uhr
Die IG Metall will offenbar mit der Forderung nach einer 28-Stunden-Woche in die anstehende Tarifrunde gehen. (Symbolbild)

© Carsten Rehder/dpa Die IG Metall will offenbar mit der Forderung nach einer 28-Stunden-Woche in die anstehende Tarifrunde gehen. (Symbolbild)

Auch die Führungsebene der IG Metall weiß, welche Reaktionen das Reizwort 28-Wochen-Stunde auslöst. Die Gewerkschaft sei dabei, die "Büchse der Pandora zu öffnen", schäumte Gesamtmetall-Chef Reinhard Dulger bereits im Juli und warnte vor einem "unbeherrschbaren Prozess".


28-Stunden-Woche: Das fordert die IG Metall konkret


In der Tat überrascht der Vorstoß der Metaller, die ja immer schon die Speerspitze der Gewerkschaftsbewegung waren. Unweigerlich drängt sich die Erinnerung an die erbitterten Tarifschlachten auf, bei denen die Metaller Mitte der 80er Jahre die 35-Stunden-Woche erkämpften. Doch auch damals ist die Welt entgegen den Prognosen der Arbeitgeber nicht untergegangen. Die deutsche Metallbranche hat ihre Wettbewerbsfähigkeit bis heute nicht eingebüßt.

Alles hat zwei Seiten

Ein Folge davon war allerdings auch, dass viele Unternehmen massiv in die Automatisierung investierten. Das führte zeitweise zu einem nicht unerheblichen Anstieg der Arbeitslosenzahlen. Durch den technischen Modernisierungsschub wiederum, der damals ausgelöst wurde, erlangte die deutsche Industrie ihre führende Weltmarktstellung, die sie bis heute innehat. Es hat eben immer alles seine zwei Seiten.

Doch um eine weitere pauschale Verkürzung der Arbeitszeit geht es diesmal gar nicht, auch wenn die Arbeitgeber dies glauben machen wollen. Die Realität der Arbeitswelt ist ohnehin eine andere. Viele Betriebe – quer durch alle Branchen – suchen heute händeringend nach qualifiziertem Personal. Statt einer 35-Stunden-Woche sind 40 Stunden Standard – und obendrauf gibt es so viele Überstunden, dass sich die Frage aufdrängt, warum die Betriebsräte nicht massiver dagegen vorgehen.

Die Metaller fordern diesmal etwas ganz anderes als eine flächendeckende Arbeitszeitverkürzung: Sie wollen mehr Flexibilisierung durchsetzen – in diesem Fall aber nicht für die Arbeitgeber, die das jetzt schon ziemlich exzessiv nutzen. Die Gewerkschaft will diese Flexibilität endlich auch für die Beschäftigten einfordern. Und da gibt es ganz erheblichen Handlungsbedarf.

Flexibilität – nicht nur für Firmen

So sollen Arbeitnehmer künftig das Recht erhalten, ihre Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf 28 Stunden zu verkürzen, danach aber wieder zur 35-Stunden-Woche zurückkehren können. Genau an dieser Stelle hakt es häufig – und genau deswegen verlangt die IG Metall ein Recht zur Rückkehr in Vollzeit.

Bei einem zweiten Element geht die Gewerkschaft über das rein Tarifliche hinaus und wagt sich in die Sozialpolitik. Nach ihrer Vorstellung soll es in bestimmten Fällen trotz einer kürzeren Arbeitszeit sogar einen finanziellen Ausgleich geben. Etwa wenn Arbeitnehmer zuhause Angehörige pflegen oder mehr Zeit zur Betreuung ihrer Kinder haben wollen. Das sind gesellschaftliche Aufgaben, die fast unbezahlbar sind. Und auf beiden Feldern muss dringend gehandelt werden.

Sich diesen verändernden Lebensrealitäten anzunehmen, wäre eigentlich Aufgabe des Gesetzgebers. Der jedoch ist da seit Jahren viel zu lethargisch. Die IG Metall hat es immer schon verstanden, betriebswirtschaftlich mitzudenken, aber auch politisch zu agieren. Sie ist weiter die mit Abstand stärkste Kraft unter den Gewerkschaften – in einer Branche, die vor Kraft strotzt. Vielleicht reicht der Anstoß ja diesmal aus, auch die Politik zum Handeln zu bewegen. Das Wehklagen über unzumutbare Belastungen für die Unternehmen ist jedenfalls eine allzu wohlfeile Antwort.



Leserforum

Was halten Sie von einer 28-Stunden-Woche? Was würden Sie ändern?

Schreiben Sie Ihre Meinung, diskutieren Sie hier in unserem Leserforum unter diesem Artikel mit mit! Voraussetzung für die Teilnahme ist, dass Sie sich mit Ihrem vollen Namen, ihrer postalischen Adresse und Ihrer Mailadresse registrieren. Falls Sie bereits einen Login besitzen, bei dem die Anschrift noch fehlt, bitten wir Sie, diese Daten zu ergänzen. Derzeit sind die Angaben zur Adresse noch freiwillig. Im Leserforum werden wir aber nur Kommentare zulassen, bei denen auch die Angaben "Straße/Hausnummer sowie PLZ/Ort" ausgefüllt wurden. Dennoch wird Ihr Kommentar online nur unter dem von Ihnen gewählten Nickname zu lesen sein.

Beim "Aktuellen Thema" wollen wir die Meinungen unserer User bündeln und auf mehreren Kanälen einholen. Meinungsbeiträge sind per Mail an nn-leserbriefe@pressenetz.de (Stichwort: 28-Stunden-Woche) sowie auch am Ende dieses Artikels möglich.

Eine Auswahl der Einsendungen wird gegebenenfalls auch auf der gedruckten Meinungsseite in den Nürnberger Nachrichten mit Angabe des Namens und des Wohnorts (ohne Straßenangabe) erscheinen. Falls Sie damit nicht einverstanden sein sollten, bitten wir Sie, dies in Ihrem Kommentar zu vermerken. 

Verwandte Themen


5 Kommentare