Angstthema soziale Spaltung: Arbeitgeber werden nervös

20.4.2017, 10:45 Uhr
Die Tatsache, dass Kanzlerkandidat Martin Schulz das Thema soziale Gerechtigkeit ziemlich weit oben auf seiner Agenda hat, sorgt für Unbehagen bei den Arbeitgeberverbänden.

© Peter Steffen (dpa) Die Tatsache, dass Kanzlerkandidat Martin Schulz das Thema soziale Gerechtigkeit ziemlich weit oben auf seiner Agenda hat, sorgt für Unbehagen bei den Arbeitgeberverbänden.

Ob SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz die anfängliche Euphorie bis zum Wahltag hochhalten kann, ist noch sehr ungewiss. Bei den Wirtschaftsverbänden allerdings scheint die Nervosität zu steigen. Das jedenfalls lassen die jüngsten Äußerungen der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA), Ingo Kramer, erkennen. Das Thema, so ist sich zwischen den Zeilen herauszulesen, könnte verfangen.

"80 bis 90 Prozent der Menschen in Deutschland" seien mit ihrer persönlichen Situation oder mit ihrer Arbeitssituation zufrieden, beruft sich Kramer auf eine Studie und versucht damit, das Publikum zu beschwichtigen. Doch diese rosarot gefärbte Einschätzung wird durch eine Vielzahl anderer Untersuchungen nicht bestätigt.

Laut einer vom Bundesarbeitsministerium geförderten Studie aus dem vergangenen Jahr ist nur jeder Fünfte mit seiner Arbeitssituation rundum zufrieden. 45 Prozent äußern starke Kritik. Rund ein Drittel der deutschen Wählerschaft fühlt sich vom Wirtschaftserfolg Deutschland gar ganz abgehängt. Obwohl das Land so viel Wohlstand angehäuft hat und die Exportwirtschaft brummt, ist die soziale Spaltung in Deutschland größer als im EU-Durchschnitt – und das will etwas heißen mit Blick auf Staaten wie Griechenland, Spanien, Portugal oder Italien.

Deutscher Exportüberschuss in der Kritik

Die Nervosität im Arbeitgeberlager erklärt sich vielleicht auch dadurch, dass der deutsche Exportüberschuss - zuletzt satte 8,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - auch international immer schärfer in die Kritik gerät. Nicht nur der polternde US-Präsident Donald Trump hat sich zu Drohungen hinreißen lassen. Zuletzt hat auch der linksliberale französischen Präsidentschaftsbewerber Emmanuel Macron erklärt, die deutschen Überschüsse seien so "nicht tragbar". Und sogar der Internationale Währungsfonds, gewiss keine Ansammlung Linksradikaler, hat dieses große Ungleichgewicht beklagt. Dass sich in Deutschland rund ein Viertel der Beschäftigten im Niedriglohnsektor verdingt, ist einer der wichtigen Gründe für die Exportstärke. Im reichen Deutschland ist ein Dienstleistungsproletariat entstanden.

Dass in den vergangenen Monaten immer neue Details darüber bekanntgeworden sind, wie viele Abermilliarden internationale Konzerne - übrigens auch deutsche - weiterhin auf Steueroasen schleusen, macht das Thema nicht weniger brisant. Ob die SPD damit letztlich punkten kann, bleibt einstweilen offen. Dass die Bundesbürger sich mehr für dieses Thema interessieren sollten, liegt aber auf der Hand.

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