Antibiotikaresistenz: Jetzt schlägt auch die EU Alarm

15.11.2017, 16:23 Uhr
Immer mehr Bakterien werden resistent gegen Medikamente und moderne Antibiotika helfen immer weniger. Die EU fordert am europäischen Aktionstag einen zurückhaltenden Gebrauch von Antibiotika.

© Lukas Schulze (dpa) Immer mehr Bakterien werden resistent gegen Medikamente und moderne Antibiotika helfen immer weniger. Die EU fordert am europäischen Aktionstag einen zurückhaltenden Gebrauch von Antibiotika.

Klebsiella pneumoniae ist ein Bakterium, das jeder Mensch in sich trägt - eines von vielen Millionen, über die man sich im Normalfall keine Sorge machen muss. Doch es kann auch zum Auslöser schwerer Atemwegserkrankungen werden, die in wenigen Fällen nicht mehr behandelbar sind. Denn der Atemwegs-Keim hat sich im Laufe der Jahre den üblichen Antibiotika so angepasst, dass nicht einmal schwere pharmazeutische Geschütze wie das Medikament Carbapeneme noch anschlagen.


Resistenz von Antibiotika: Wir waren gewarnt - ein Kommentar.


Innerhalb von vier Jahren stieg die Zahl der Erkrankungen von 6,2 auf 8,1 Prozent, teilte das Europäische Präventionszentrum ECDC in Brüssel am Mittwoch mit. "Acht Prozent bedeutet, dass von 100 Patienten acht praktisch nicht mehr behandelbar sind", sagte ECDC-Chefin Andrea Ammon am Aktionstag über Antibiotika. "Und das sind einfach acht zu viel." Auch wenn die Fälle, in denen den Medizinern praktisch keine Behandlungsmöglichkeiten bleiben, Ausnahmen sind, so verlaufe die Entwicklung doch dramatisch.

2015 waren bereits ein Drittel der untersuchten K.-pneumoniae-Keime gegen mindestens ein Antibiotikum resistent. Im Mai mussten Teile der Intensivstation des Frankfurter Uni-Klinikums geschlossen werden. Dort war das Bakterium Klebsiella peumoniae 4-MRGN nachgewiesen worden, das gegen alle verfügbaren Medikamente immun ist. Drei Menschen starben, zwei weitere Infizierte wurden gerettet. "Sogar Resistenzen gegen Antibiotika wie Colistin, die als letzte Behandlungsmöglichkeit eingesetzt werden, nehmen zu", beklagte gestern EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. "Die Perspektiven einer Zukunft ohne Antibiotika ist erschreckend, da wir dann möglicherweise keine größeren chirurgischen Eingriffe oder Organtransplantationen mehr vornehmen und keine neuen Hüften oder Herzklappen mehr implantieren können."

Trends sind umkehrbar

Sollte die Entwicklung ungebremst so weitergehen, könnten antimikrobielle Resistenzen potenziell alle drei Sekunden ein Menschenleben kosten und damit mehr Todesopfer fordern als Krebserkrankungen, betonte der Kommissar. Dabei verläuft die Entwicklung nach Angaben der europäischen Präventionsexperten durchaus unterschiedlich. Während das Bakterium Escherichia, das als einer der häufigsten Verursacher von über die Blutbahn verbreiteten Infektionen gilt, sich ebenfalls den Antibiotika anpasst, gibt es ausgerechnet bei den lange gefürchteten MRSA-Erregern eine leichte Entwarnung.

Diese als Krankenhauskeime bekannten Bakterien wurden 2015 deutlich weniger festgestellt als noch 2012. Viele Länder hätten gezielte Maßnahmen wie strikte Einhaltung von Hygiene-Vorschriften oder Vorab-Untersuchungen neuer Patienten vorgenommen. ECDC-Chefin Ammon: "Daran kann man sehen, dass es möglich ist, einen Trend nicht nur zu stoppen, sondern umzukehren." Doch ein entscheidender Durchbruch lässt weiter auf sich warten.

Die EU, die den Europäischen Antibiotikatag gestern zum zehnten Mal veranstaltete, hat mit einen Aktionsplan Tier- und Humanmediziner zum zurückhaltenden Gebrauch von Antibiotika verpflichtet. 350 Millionen Euro flossen bisher schon in die Forschung, weitere 200 Millionen stehen bis 2020 bereit. Die entscheidenden Gegenmaßnahmen, so betonte die Kommission am Mittwoch, könnten jedoch auch ohne jahrzehntelange Forschung sofort ergriffen werden: Dazu zählten die konsequente Umsetzung der Hygienevorschriften in den Krankenhäusern und Praxen, das Abschirmen infizierter Patienten von anderen sowie die zurückhaltendere Verschreibung von Antibiotika. Wenn der Arzt ein entsprechendes Präparat allerdings angeordnet habe, müssten die Betroffenen auf die ordnungsgemäße Einnahme achten – das Arzneimittel also nicht gleich nach dem Abklingen der Symptome absetzen.

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