Billigfleisch und Tierschutz: Über die Doppelmoral der Deutschen

21.2.2019, 15:15 Uhr
Billigfleisch und Tierschutz: Über die Doppelmoral der Deutschen

© Jens Büttner / dpa

Fragt man einen Durchschnittsdeutschen, ob er wohl bereit wäre, für sein Schnitzel etwas mehr Geld hinzulegen, wenn er damit wüsste, dass es dem dazugehörigen Schwein im Leben besser erging, wird er mit dem Kopf nicken. Das sagen alle Statistiken und Umfragen gleichermaßen aus. Tierschutz findet die große Mehrheit generell gut.

Die Realität sieht anders aus. Feldversuche in Supermärkten zeigen, dass drei Viertel der Kunden nach wie vor zum Billigstfleisch greifen, obwohl im Fach daneben das nach hohen Standards produzierte Bio-Kotelett liegt. An dieser Stelle soll niemand deswegen verurteilt werden. Es gibt Einkaufsgewohnheiten, die sich nicht von heute auf morgen ändern. Viele Berufstätige haben nach Feierabend Zeitdruck beim Einkaufen und können nicht alle Angebote ausgiebig vergleichen. Und wieder andere haben so viele Mäuler zu stopfen, dass regional produziertes Biofleisch für sie nur ein frommer Gedanke bleibt, sofern sie mit ihrem Gehalt bis zum Ende des Monats durchkommen wollen. 


Trotz Tierwohl-Debatte: Deutsche kaufen weiter Billigfleisch


All das ist Fakt. Und akzeptiert. Dennoch muss die Frage legitim sein, wie es sein kann, dass wir als tierliebe Nation unseren Hunden im Winter Pulloverchen anziehen, paarungswillige Kröten im Morgengrauen über Landstraßen tragen oder eine Straßentrasse neu planen, weil dort ein paar Wasservögel brüten, während männlichen Ferkeln nach wie vor bei lebendigem Leib die Hoden entfernt werden. Ohne Betäubung. Damit das Fleisch besser schmeckt. Und möglichst billig ist.

Gesetz kam nicht durch den Bundestag

Das perfide daran ist: Es gäbe längst Alternativen. In Norwegen werden die Tiere vor der Kastration mit einer Spritze oder sanftem Sedierungsgas betäubt. Andere Nationen (Australien oder Brasilien etwa) wenden die sogenannte Immunkastration an, eine Art Impfung gegen den üblen Ebergeruch, der dem Fleisch anhaftet, sofern die Hoden nicht entfernt werden. Wir tun das hierzulande nicht. Unter anderem aus Kostengründen.

Immerhin: Es gibt ein neues Gesetz, laut dem die Kastration von lebendigen Tieren ohne Betäubung künftig illegal sein soll. Es ist aber nicht durch den Bundestag gekommen. Man brauche noch weitere zwei Jahre ohne Betäubung, um geeignete Mittel zu erproben, sagt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU). Mittel, die es längst gibt.

Hier soll keine vegane oder vegetarische Ernährung propagiert werden. Das Schnitzel oder Lendensteak sei jedem gegönnt, dem es schmeckt. Aber in puncto Bewusstsein, wieso das derart billig zu haben ist, können wir alle sicher noch weitaus besser werden. Und unsere Kaufentscheidungen verantwortungsvoller treffen. Ein Tierschutz, der diesen Namen auch verdient, ist nur machbar, wenn der Kunde bereit ist, dafür zu zahlen.

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