Bundestagswahl: Zukunft der Demokratie steht auf dem Spiel

22.9.2017, 11:46 Uhr
Merkel hin, Merkel her - am Sonntag geht es durchaus um eine Richtungsentscheidung.

© Ina Fassbender/dpa Merkel hin, Merkel her - am Sonntag geht es durchaus um eine Richtungsentscheidung.

Natürlich wird die nächste Bundeskanzlerin Angela Merkel heißen - da müsste schon mehr als ein Wunder passieren, damit Martin Schulz eine parlamentarische Mehrheit erhalten wird. Die entscheidende Frage aber ist: Mit welcher Koalition kann die CDU-Chefin regieren? Und das ist alles andere als banal.

Es stimmt schon: Die Große Koaltion hat weitgehend unaufgeregt regiert und viele der gemeinsam vereinbarten Ziele umgesetzt. Streit ist über lange Zeit ausgeblieben; das mögen die Wähler. Es sind gute Argumente für eine Neuauflage.

Aber trotzdem gibt es erhebliche Zweifel, ob das auch gut für die Republik wäre. Nach vier Jahren stellt sich auch in Deutschland der Österreich-Effekt ein: Im Nachbarland lässt sich seit langem besichtigen, wie  der rechte, extreme Rand  gestärkt wird, wenn die beiden Großen über viele Jahre zusammenarbeiten.

Der Aufstieg der AfD ist ja nicht nur der Flüchtlingskrise geschuldet, sondern einem diffusen Gefühl der Machtlosigkeit, das viele Bürger erfasst hat. Die haben früher in vielen Fällen bei Union oder Sozialdemokraten ihr Kreuzchen gemacht, fühlen sich dort aber nicht mehr richtig vertreten.

Nur eine Notlösung

Wer zu dieser Demokratie steht und deshalb keine weitere Radikalisierung des Landes will, kann weitere vier Jahre Große Koalition deshalb nur als Notlösung akzeptieren. Dazu kommt, dass die Sozialdemokraten in der Regierung zwar gute Arbeit geleistet haben, aber das die Wähler nicht honorieren werden  - jedenfalls, wenn den Umfragen zu trauen ist. Angela Merkel hat es schließlich noch immer geschafft, ihre jeweiligen Juniorpartner kleinzuhalten.

Bleibt die Frage nach der Alternative - und nach Lage der Dinge ist das Jamaika, also CDU/CSU, FDP und Grüne. Denn für eine Zusammenarbeit von Union und Liberalen wird es aller Voraussicht nach nicht reichen. Und das ist auch gut so: Denn der FDP fehlt einerseits ausreichend Personal mit Regierungserfahrung, andererseits sind auch inhaltliche Positionen, nun ja, diskussionswürdig. Denn ob es, nur zum Beispiel wirklich eine gangbare Alternative in Sachen Griechenlandkrise gibt, darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.

Und was ist dann besser, wenn die Grünen als Dritter im Bunde dazu stoßen? Zum einen werden die Ministerien anders verteilt, die Freien Demokraten brauchen weniger geeignetes Personal. Und die Grünen können inhaltlich ein wichtiges Korrektiv sein - zum Beispiel beim Ausstieg aus der Kohle, bei der Integration von Flüchtlingen oder auch beim Bewahren von Freiheitsrechten.

Demokratie braucht kontroversen Austausch

Ganz klar: Das sieht genau nach jenem Streit aus, den der Wähler nicht mag. Aber eine Demokratie braucht das, denn nur im kontroversen Austausch von Argumenten entstehen Lösungen, in denen sich möglichst viele Menschen wiederfinden.

Es geht also - Merkel hin, Merkel her - am Sonntag durchaus um eine Richtungsentscheidung: Eine erneute Große Koalition mit dem Risiko einer weiteren Radikalisierung - oder ein Experiment mit, nüchtern betrachtet, ungewissem Ausgang, aber zumindest der Chance auf Stärkung der Demokratie.

Jeder Wähler muss die Frage natürlich für sich selbst beantworten. Und dann sollte er, das ist das Wichtigste, naürlich auch zur Abstimmung gehen.

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