Das falsche Rezept gegen die Rechten in Europa

18.12.2017, 14:05 Uhr
Österreichs neuer Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde am Montag in Wien vereidigt.

© Roland Schlager/dpa Österreichs neuer Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde am Montag in Wien vereidigt.

Wie sich die Zeiten doch verändern: In Österreich hat es bereits im Jahr 2000 erstmals eine Regierungskoalition aus der konservativen ÖVP und der rechtslastigen FPÖ gegeben. Damals hatten die übrigen EU-Staaten (es waren 15 Mitgliedsländer) zwar letztlich auf Sanktionen gegen Wien verzichtet, doch eine Art Einheitsfront gegen diesen Tabubruch organisiert. Heute hält sich die Aufregung dagegen sehr in Grenzen.

An Warnungen fehlt es nicht. Die neue österreichische Regierung aus ÖVP und FPÖ könne in Europa zum Gegenpol der Deutschen werden, mahnen manche. Wenn Kanzlerin Angela Merkel erneut mit einer Großen Koalition weiterregieren sollte, die in ihren Worten wieder "alternativlos" wäre, dann könnte dies zudem wie ein Wachstumsverstärker für die rechtspopulistische AfD wirken.

Das alles ist möglich, es muss aber nicht so kommen. Klar ist natürlich, dass die Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, die sich vehement gegen jede Aufnahme von Flüchtlingen sträuben, jetzt einen einflussreichen Verbündeten gefunden haben. Die extreme Rechte in Europa ist mit der Aufnahme in die Wiener Koalition salonfähig geworden. Dass einer wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der in seiner Jugend in der Neonazi-Szene aktiv war und bis heute rassistisches Gedankengut verbreitet, einmal Vizekanzler in einem gefestigten demokratischen Staat werden könnte, war lange undenkbar. Allein das zeigt, wie sehr die Flüchtlingsthematik die Koordinaten in Europa verschoben hat.

Treibstoff der Rechten

Ob und wie viel Schaden Strache und seine Truppe anrichten können, in Österreich wie in Europa, wird davon abhängen, wie klug einerseits der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz die rechten Partner einhegt, und andererseits davon, ob die EU das Flüchtlingsthema entschärfen kann. Dieses liefert den Rechten den Treibstoff.

Kurz, der junge, talentierte und hochambitionierte neue Politstar in Wien, hat der FPÖ viel Platz in der Regierung eingeräumt, ihr wichtige Ministerien überlassen. Gleichzeitig aber hat er sie auf eine klar pro-europäische Politik verpflichtet (während die FPÖ mit einem "Öxit" geliebäugelt hatte). Das dürfte im politischen Alltag noch für genug Reibereien sorgen.

Auf europäischer Ebene wird es jetzt darauf ankommen, insbesondere beim Flüchtlingsthema zu Lösungen zu kommen. Denn genau dieses hat den Rechten in Europa so viel Auftrieb gegeben. Der Versuch, auf Biegen und Brechen feste Flüchtlingsquoten in Europa durchzudrücken, wird keinen Erfolg zeitigen. Es würde die Fronten nur weiter verhärten und die Phobie gegen alles Europäische verstärken.

Wende in der Afrika-Politik

Anstatt ihre ganze Energie auf die Verteilung von Flüchtlingen zu richten, muss endlich ernst gemacht werden mit der Bekämpfung der Ursachen für den Zustrom. Da ist bisher außer Rhetorik wenig passiert. Vor allem in der Afrika-Politik muss sich vieles dramatisch ändern. Wer glaubt, dass ein bisschen Geld für Flüchtingslager sowie für neue Bildungs- und Beschäftigungsprogramme ausreicht, liegt ganz falsch.

Denn was in den Herkunftsländern mit europäischer Hilfe aufgebaut werden kann (und was für sich genommen durchaus sinnvoll ist), wird konterkariert durch unsere Wirtschaftspolitik. Nach wie vor fischen europäische Fangflotten viel zu viel vom Fischbestand vor den Küsten Afrikas weg. Es wird weiter zu viel (mit europäischen Fördertöpfen billig gemachtes) Fleisch auf afrikanische Märkte gedrückt. Nun sind wir dabei, auch noch mit Milchpulver weitere Märkte zu ruinieren. Das muss aufhören.

An diesen Stellen wird sich entscheiden, ob Europa tatsächlich einen Beitrag leisten kann, Perspektiven in den afrikanischen Staaten zu schaffen und so die Fluchtgründe zu bekämpfen. Die Debatten darum, wie viele Flüchtlinge die EU aufnehmen kann und wie wir mit ihnen umgehen, sind wichtig. Die Wurzel des Problems liegt aber woanders. Dort muss verantwortungsvolle Politik ansetzen. Gelingt das nicht, werden rechte Kräfte in Europa weiter an Boden gewinnen.

Ganz nebenbei, das ist auch eine Thematik, der sich Bayern designierte Ministerpräsident Markus Söder einmal widmen sollte. Sein bisheriger Ansatz, die AfD mit ihrer eigenen Rhetorik zu bekämpfen, ist zum Scheitern verurteilt.

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