Die Kritiker des SPD-Mitgliederentscheids liegen falsch

19.2.2018, 10:57 Uhr
Eintrittswelle: Zuletzt konnte die SPD Tausende neue Parteibücher ausgeben.

© Michael Kappeler/dpa Eintrittswelle: Zuletzt konnte die SPD Tausende neue Parteibücher ausgeben.

Natürlich kommen auch jetzt wieder die Kritiker: Unsere repräsentative Demokratie sehe doch überhaupt nicht vor, dass einfache Parteimitglieder über die Bundesregierung entscheiden, lautet ihr meist mit Grundgesetz-Artikeln bekräftigtes Argument, das sie auch vor dem Bundesverfassungsgericht vorbrachten. Wer ein wenig Ahnung von der politischen Praxis in Deutschland hat, wird zu anderen Schlüssen kommen.

Es stimmt schon, dass die Kanzlerwahl im juristischen Sinne Sache der gewählten Abgeordneten ist und diese nach Grundgesetz-Artikel 38 nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Doch auch ohne ein Studium der Politikwissenschaft dürften die meisten Bürger wissen, dass die Realität eine andere ist: Abgeordnete unterwerfen sich je nach Sichtweise entweder freiwillig der Fraktionsdisziplin oder unterliegen einem Fraktionszwang.

Die tatsächliche Entscheidungsmacht kommt, gerade bei wichtigen Fragen, stets dem Parteivorsitzenden zu. Er entscheidet in der Praxis auch, ob eine Partei in eine Regierung eintritt. Das ließ sich zuletzt ja eindrucksvoll bei den Jamaika-Verhandlungen, die FDP-Chef Christian Lindner platzen ließ, beobachten.

Wenn die SPD eine Regierungsbeteiligung nun eben nicht von ihrem Parteichef/ihrer Parteichefin abhängig macht, sondern von ihren 460.000 Mitgliedern, dann ist das - legt man den bisherigen Maßstab an - in jedem Fall ein Mehr an Demokratie: Die Entscheidung liegt nun nicht mehr in der Hand eines Einzelnen, sondern in der Zigtausender Mitglieder. Von so viel Mitbestimmung können CDU- und CSU-Mitglieder nur träumen.

Das SPD-Basisvotum ist auch deshalb ein Gewinn, weil es neues Leben in viele brachliegende Ortsvereine der Partei brachte. Dort wird wieder engagiert diskutiert, und oft diskutieren neue Mitglieder mit. Allein in Bayern traten seit Jahresbeginn 3000 Menschen ein, bundesweit waren es 24.000. Die Partei ist seitdem wieder die mitgliederstärkste in Deutschland. Mit dem Entschluss, die Frage einer Regierungsbeteiligung der Basis zu überlassen, hat die SPD also alles richtig gemacht - wie auch immer der Entscheid ausgeht.

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