Einbußen in Millionenhöhe: Nürnberg "fehlen" Einwohner

19.9.2018, 18:50 Uhr
In der Region haben zahlreiche Städte und Gemeinden deutlich weniger Einwohner als bisher angenommen.

© dpa In der Region haben zahlreiche Städte und Gemeinden deutlich weniger Einwohner als bisher angenommen.

Zahlreiche Kommunen gehen aufgrund ihrer Melderegister davon aus, dass mehr Menschen ihren Hauptsitz vor Ort haben, als beim Zensus der Statistikämter von Bund und Ländern gezählt worden waren. Nürnberg "fehlen" demnach etwa 17.000 Einwohner, auch Fürth, Zirndorf, Herzogenaurach, Forchheim, Altdorf, Schwabach und Wendelstein sind betroffen. Von der Einwohnerzahl hängt ab, wie viel Geld Kommunen aus dem Finanzausgleich erhalten.

Verfassungsgericht bestätigt aktuelle Zahlen

54 bayerische Kommunen hatten gegen den Zensus von 2011 geklagt, federführend das oberpfälzische Amberg (laut dem Landesamt für Statistik in Fürth Ende 2016: 42.348 Einwohner). Nach der Niederlage vor dem Verwaltungsgericht Regensburg 2015 gingen Amberg und Mitstreiter, darunter Nürnberg, Fürth, Würzburg, Forchheim, Schwabach, Wendelstein, Altdorf, Zirndorf und Herzogenaurach, in Berufung. Deutschlandweit hatten vor den Verwaltungsgerichten rund 340 Städte und Gemeinden gegen ihre neue Einwohnerzahl geklagt. Ihnen gehen im kommunalen Finanzausgleich Gelder verloren. Alle diese Verfahren ruhten bis zur Entscheidung in Karlsruhe. Die Chancen auf eine Korrektur dürften durch das Urteil nun stark gesunken sein.

Denn das Bundesverfassungsgericht bestätigte am Mittwoch die aktuellen Einwohnerzahlen der Städte und Gemeinden. Der Zensus im Jahr 2011 sei nach verfassungsgemäßen Methoden erfolgt. Dass sich der Gesetzgeber in einem mehr als zehnjährigen Prozess für einen sogenannten registergestützten Zensus entschieden habe, sei nicht zu beanstanden, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Auch andere Staaten setzten auf diese Methode. Sie verursache weniger Kosten und sei auch "grundrechtsschonender", weil nur noch ein kleiner Teil der Bürger Daten preisgeben müsse. Allerdings verpflichten die Verfassungsrichter den Gesetzgeber, aufgetretene Mängel bei künftigen Volkszählungen zu beheben. Der Zensus findet alle zehn Jahre statt, das nächste Mal also 2021.

Wie es nun weitergeht, ist offen. Ambergs Rechtsreferent Bernhard Mitko will zunächst die Begründung des Bundesverfassungsgerichts prüfen. Strittig könne bleiben, inwieweit die Kommunen die Unterlagen des Statistikamtes einsehen dürfen, um etwaige Fehler festzustellen. Für Amberg rechnet Mitko mit finanziellen Gesamteinbußen im sechsstelligen Bereich.

Nürnberg und Fürth geschrumpft

"Man kann an dem Urteil nichts kritisieren. Aber etwas Enttäuschung ist natürlich dabei", sagte Wolf Schäfer, der Leiter des Nürnberg-Fürther Statistikamts. Für Nürnberg beziffert er den Schaden mit einer einstelligen Millionensumme jährlich. Die Noris hatte Ende 2016 laut den Landesstatistikern 511.628 Einwohner, zählte selbst aber 529.407 Hauptwohnsitzinhaber. Ende 2017 verzeichnete Schäfer etwa 532.000, daran orientiere man sich weiterhin. Stadtkämmerer Harald Riedel bewertet das Urteil als kaum überraschend, aber trotzdem ärgerlich für die großen Kommunen. Da Nürnberg durch die Zensus-Berechnung unter die 500.000-Einwohner-Grenze gefallen war, erhielt es deutlich weniger Zuweisungen vom Land. Es büßte zwei Jahre lang schätzungsweise je elf Millionen Euro ein.

 

Fürth hatte Ende 2016 laut Landesamt 125.403 Einwohner, verzeichnete selbst aber 128.204. Schwabach (laut Statistikamt: 40.707) hat durch den Zensus 360 bis 400 Einwohner "verloren", so Sprecher Jürgen Ramspeck.

Bei der ersten Volkszählung seit der Wiedervereinigung hatte sich herausgestellt, dass in Deutschland gut 1,5 Millionen Menschen weniger leben als angenommen. Vor allem die Einwohnerzahlen vieler großer Städte wurden nach unten korrigiert. Berlin und Hamburg gaben dem angewandten Verfahren die Schuld. Die Statistiker hatten sich zum ersten Mal vorwiegend auf Meldedaten gestützt und nicht mehr alle Bürger persönlich nach ihren Lebensverhältnissen befragt.

Berlin verlor rund 180.000 Einwohner

Die letzten Volkszählungen hatte es in der BRD 1987 und in der DDR 1981 gegeben. Seither wurden die Daten fortgeschrieben - mit immer größeren Ungenauigkeiten. Auch deshalb brachte der Zensus 2011 einige Überraschungen. Berlin verlor auf einen Schlag rund 180.000 Einwohner. Das bedeutet Mindereinnahmen von 470 bis 490 Millionen Euro im Jahr. Hamburg war nach der neuen Zählung um knapp 83.000 Menschen kleiner und hat damit Einbußen von mehr als 100 Millionen Euro jährlich. Von der Einwohnerzahl hängt beispielsweise ab, wie viel ein Bundesland von den Umsatzsteuer-Einnahmen abbekommt.

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