Europa entsetzt: Trump lässt Iran-Atomabkommen platzen

8.5.2018, 22:28 Uhr
Am Dienstag traf US-Präsident Trump eine der wohl weitreichendsten Entscheidungen seiner Amtszeit. Die Europäer und auch Russland wollten unter allen Umständen an dem Deal festhalten.

© SAUL LOEB/AFP Am Dienstag traf US-Präsident Trump eine der wohl weitreichendsten Entscheidungen seiner Amtszeit. Die Europäer und auch Russland wollten unter allen Umständen an dem Deal festhalten.

Die USA ziehen sich trotz des massiven Widerstands europäischer Partner aus dem Atomdeal mit dem Iran zurück. Das gab US-Präsident Donald Trump am Dienstag in Washington bekannt. Die im Rahmen des Abkommens ausgesetzten Sanktionen sollen in voller Härte wieder zum Tragen kommen. Dafür kündigte Finanzminister Steven Mnuchin an, es gebe ein Zeitfenster von bis zu 180 Tagen, um den Geschäftsleuten ausreichend Zeit zu geben. Gleichzeitig forderte der neue US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, deutsche Unternehmen auf, sich aus dem Iran zurückzuziehen.

Trump erklärte: "Wir werden die höchste Stufe von Wirtschaftssanktionen einführen. Jedes Land, das Iran bei seinen Bemühungen um Atomwaffen hilft, könnte auch mit starken Sanktionen belegt werden."

Frankreich, Deutschland und Großbritannien bedauerten die US-Entscheidung zum Ausstieg. Das teilte Präsident Emmanuel Macron am Dienstagabend auf Twitter mit. Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premierministerin Theresa May riefen in einer gemeinsamen Stellungnahme alle Seiten auf, in einem «Geist der Verantwortung» an den Abmachungen festzuhalten.

"Ein schreckliches, einseitiges Abkommen"

Trump ließ an dem Atomabkommen, ausgehandelt auf US-Seite von der Regierung seines Amtsvorgängers Barack Obama, kein gutes Haar: "Es ist eine Tatsache, dass es ein schreckliches, einseitiges Abkommen war, dass nie, nie hätte abgeschlossen werden sollen. Es hat keine Beruhigung gebracht, es hat keinen Frieden gebracht, und das wird es nie."

Der Schritt ist eine der weitreichendsten Entscheidungen seit Trumps Amtsantritt im Januar 2017. Die Folgen für die Konflikte im Nahen Osten mit dem Iran als einer der maßgeblichen Regionalmächte und Israel als einem Erzfeind Teherans sind kaum absehbar. Israel traf noch am Dienstag militärische Vorbereitungen, nachdem ungewöhnliche Militärbewegungen des Iran in Syrien beobachtet worden seien.

Mogherini appelliert an den Iran 

Irans Präsident Ruhani bekräftigte, sein Land fühle sich dem Abkommen weiter verpflichtet und werde mit den fünf Unterzeichnerländern ohne die USA weiterverhandeln. Mit der iranischen Atomorganisation sei aber auch bereits koordiniert worden, dass die Urananreicherung im Notfall wieder unbegrenzt aufgenommen werde, sagte Ruhani.

Das EU-Trio teilte mit, es gäbe "größere Probleme" zu klären, vor allem wie Iran langfristig davon abgehalten werden könne, Atomwaffen zu entwickeln. Die internationale Regelung zur Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen stehe auf dem Spiel.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini appellierte an den Iran, das Atomabkommen weiter umzusetzen. "Bleiben Sie ihren Verpflichtungen treu, so wie wir unseren Verpflichtungen treu bleiben werden", sagte Mogherini am Dienstagabend in Rom. Das Atomabkommen sei der Höhepunkt von 12 Jahren Diplomatie. "Der Deal gehört uns allen", sagte sie. "Lassen Sie nicht zu, dass irgendjemand das Abkommen auflöst."

 "Wir haben gemeinsames Interesse mit Verbündeten"

US-Außenminister Mike Pompeo unterstrich unterdessen, die USA seien auch weiterhin daran interessiert, mit den Verbündeten zusammenzuarbeiten. "Wir haben ein gemeinsames Interesse mit unseren Verbündeten in Europa und in der ganzen Welt, den Iran davon abzuhalten, jemals eine Atomwaffe zu entwickeln", heißt es in der Stellungnahme des auf dem Weg nach Nordkorea befindlichen US-Außenministers.

Lob für den Schritt des US-Präsidenten kam dagegen erwartungsgemäß aus Saudi-Arabien und Israel. "Wenn das Atomabkommen mit dem Iran so geblieben wäre wie zuvor, hätte dies dem Iran ermöglicht, binnen einiger Jahre genug Uran anzureichern, um ein ganzes Arsenal von Atombomben zu produzieren", sagte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu am Dienstag.

Trump wirft dem Iran "Lügen" vor

Das Atomabkommen gilt als eines der wichtigsten, wenngleich auch als eines der umstrittensten internationalen Abkommen. Darin verpflichtet sich die internationale Gemeinschaft, auf Sanktionen gegen den Mullah-Staat zu verzichten. Im Gegenzug soll der Iran unter anderem weitgehend die Anreicherung von Uran unterlassen, so dass die Herstellung von waffenfähigem Nuklearmaterial ausgeschlossen ist. Die Regelung gilt zunächst bis 2025; einige Teile, darunter verschärfte Kontrollen durch internationale Beobachter, reichen bis ins Jahr 2040. Unabhängige Beobachter bescheinigten dem Iran bisher stets, die Verpflichtungen zu erfüllen.

Trump zufolge war Irans Versprechen, nicht weiter an der Entwicklung von Atomwaffen zu arbeiten, eine "Lüge". Die Diktatur Irans habe auch nach dem internationalen Abkommen weiter an der Entwicklung ballistischer Raketen gearbeitet, die mit nuklearen Sprengköpfen bestückt werden könnten, sagte Trump am Dienstag im Weißen Haus. "Wir haben definitive Beweise, dass Irans Versprechen eine Lüge war", sagte er mit Blick auf Unterlagen, die in der Vorwoche Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in einer Power-Point-Präsentation vorgelegt hatte.

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