Exodus aus Idomeni: Mazedonien zwingt Flüchtlinge zurück

15.3.2016, 15:00 Uhr
Die Hoffnung währte nur kurz. Nachdem einige Hundert Migranten am Montag den Grenzzaun umgangen hatten, wurden sie am Dienstag vom mazedonischen Militär wieder zurück geschickt.

© dpa/Nake Batev Die Hoffnung währte nur kurz. Nachdem einige Hundert Migranten am Montag den Grenzzaun umgangen hatten, wurden sie am Dienstag vom mazedonischen Militär wieder zurück geschickt.

Hoffnungsfroh waren sie am Vortag aus dem elenden und verschlammten Camp Idomeni aufgebrochen, um den wenige Kilometer langen Grenzzaun der Mazedonier zu umgehen. Doch die mazedonischen Sicherheitskräfte hielten sie auf ihrem Gebiet auf und zwangen sie mit aller Härte - und möglicherweise illegal - nach Griechenland zurück.

"Wir sahen uns einem Spalier mazedonischer Soldaten gegenüber, bewaffnet und mit Hunden", berichtet Abir, eine 40-jährige Syrerin. Die Menschen hatten da schon einen Gewaltmarsch von etwa acht Kilometern hinter sich. Noch in Griechenland mussten sie einen Bach überqueren, der wegen der ausgiebigen Regenfälle der letzten Tage zum reißenden Gewässer angeschwollen war. "Die Soldaten ließen uns nicht weiter, aber taten uns so weit nichts, obwohl es bedrohlich war." Ihre Gruppe, erzählt die Syrerin, stellte an Ort und Stelle die aus Idomeni mitgebrachten Zelte auf und übernachtete. "Am Morgen machten die Soldaten unsere Zelte kaputt und riefen, wir sollten von hier verschwinden."

Militär prügelt mit Schlagstöcken

Der Syrer Mohammed Abusch (29) berichtet von mutmaßlichen tätlichen Übergriffen seitens des mazedonischen Militärs. Seine Gruppe wurde ein wenig tiefer im Landesinneren gestellt. "Wir mussten uns auf den Boden setzen. Nach ein paar Stunden verfrachteten sie uns auf einen Militär-Lastwagen und setzten uns irgendwo an der grünen Grenze aus", erzählt er. Dabei seien sie von den Soldaten mit Schlagstöcken traktiert worden.

Die Berichte der Flüchtlinge lassen sich von unabhängiger Seite vorerst nicht überprüfen. Aber wenn es stimmt, dass Mazedonien Hunderte Asylsuchende einfach über die "grüne Grenze", abseits der regulären Grenzübergänge, nach Griechenland zurückgeschoben hat, dann hat es gegen internationales Recht verstoßen. Immerhin meldete die mazedonische Nachrichtenagentur Makfaks am Dienstag unter Berufung auf das Innenministerium in Skopje, dass 600 bis 700 Migranten an Griechenland "zurückgegeben" worden seien. In Athen wusste man nichts davon.

"Wir gehen nach Deutschland!"

Der Exodus begann am frühen Montagnachmittag im Zentrum des Camps Idomeni. Wie auf ein geheimes Zeichen marschierten junge Männer vornehmlich aus Syrien los in Richtung Chamilo, einem Dorf westlich von Idomeni. Sofort folgten ihnen Hunderte weitere Flüchtlinge, nun auch viele Frauen und Kinder, viele nun auch aus dem Irak und Afghanistan. Offenbar schlossen sich viele Migranten an, die nicht im Camp Idomeni, sondern auf Autobahn-Parkplätzen, in Wäldern und leer stehenden Gebäuden der Umgebung hausen. Die Stimmung war euphorisch. "Wir gehen nach Deutschland!", riefen einige junge Afghanen. Bis zu 2000 Menschen könnten sich Schätzungen zufolge dem Treck angeschlossen haben.

Selbst der Hochwasser führende Bach kurz vor der mazedonischen Grenze hielt sie nicht auf. Starke, junge Männer und internationale Freiwillige bildeten eine Menschenkette, um die Schwächeren, die Alten, Frauen und Kinder über das reißende Gewässer zu geleiten. Gepäckstücke, Kinderwagen und Rollstühle wurden über die Fluten gehoben.

Falsche Versprechen auf Flugblatt

Die Aktion ist nur mit der Verzweiflung und Frustration der Asylsuchenden zu erklären, die seit der Schließung der sogenannten Balkanroute über Mazedonien in Griechenland festsitzen. Die griechischen Behörden veröffentlichten in der Nacht zum Dienstag ein Flugblatt in arabischer Sprache, das vor dem Exodus in Idomeni verteilt worden sein soll. Der Text verspricht den Menschen fälschlicherweise, dass sie Mazedonien bei einem Grenzsturm mit tausenden Menschen nicht mehr zurückschicken könne.

Signiert ist das Flugblatt mit "Kommando Norbert Blüm". Der deutsche Ex-Politker hatte am Wochenende aus Solidarität mit Flüchtlingen eine Nacht im Zelt in Idomeni verbracht. Über die Urheberschaft gab es keine gesicherten Erkenntnisse. Stecken junge deutsche Linksradikale dahinter, die sich als humanitäre Helfer engagieren? Oder wollte jemand eine falsche Fährte legen? Der Sprecher des UN-Hilfswerks UNHCR in Idomeni, Babar Baloch, hält es für möglich, dass der Flyer das Werk von kriminellen Schmuggler-Netzwerken war. Norbert Blüm selbst hat damit jedenfalls nichts zu tun, wie der frühere Bundesminister in mehreren Interviews versicherte.

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