Grenzkontrollen am Brenner? Eine Lösung sieht anders aus

5.7.2017, 11:11 Uhr
Grenzkontrollen am Brenner? Eine Lösung sieht anders aus

© dpa

Wahrscheinlich ist es nur Wahlkampf. Jedenfalls weiß Arno Kompatscher nichts davon, dass Tag für Tag Migranten über den Brenner von Südtirol nach Österreich strömen.  "Dort geschieht zur Zeit gar nichts", sagt er. Und Kompatscher muss es wissen: Er ist Landeshauptmann von Südtirol. Kein Wunder also, dass er die Ankündigung Österreichs, Soldaten an den Brenner zu entsenden, um Migranten am Grenzübertritt zu hindern, für "überzogen" hält.

Die Diskussion über Sinn und Unsinn von Kontrollen am Brenner geht ohnehin am eigentlichen Problem vorbei, ein Problem, das weit südlicher liegt: der Umgang Europas mit Flüchtlingen, die von Libyen aus in See stechen.

Werden sie von den Schiffen der Hilfsorganisationen oder Marine aufgegriffen, bringen die Retter die Migranten nicht zurück an Libyens Küste - sondern nach Europa. Das Signal, das davon ausgeht, ist fatal: Es lässt noch mehr Menschen in eigentlich seeuntüchtige Schlepperboote steigen in der Hoffnung, rechtzeitig gerettet und an ihr Ziel gebracht zu werden. Tausende bezahlen diese Hoffnung mit dem Leben.

Heißt das, dass Europa also einfach dichtmachen soll? Nein. Aber wenn es die EU ernst damit meint, das Sterben im Mittelmeer beenden zu wollen, muss sie ihre Flüchtlingspolitik radikal ändern. Im Moment führt nur der teure (weil Schlepper bezahlt werden müssen) und gefährliche Weg (wegen der Überfahrt übers Mittelmeer) nach Europa. Ihn antreten kann allein, wer über genügend Geld und eine starke körperliche Konstitution verfügt. Deswegen darf sich ja auch niemand wundern, dass es vor allem junge Männer sind, die es hierher schaffen. Zurück in ihren Heimatländern bleiben die Alten, Kranken und Familien, die der Hilfe der EU eigentlich viel mehr bedürften.

Großzügige Kontingente

Eine Politik, die die Außengrenzen konsequent abriegelt, gleichzeitig aber großzügige Flüchtlingskontingente etabliert, würde dieses Problem lösen. Das heißt: Europas Regierungen müssten Jahr für Jahr festlegen, wie viele Flüchtlinge sie aufnehmen wollen. Die dann ausgewählten Migranten dürften legal einreisen. Steht Europa zu seinen Werten, dann muss klar sein, dass es hier eher um Hunderttausende Menschen als um wenige Hundert gehen muss.

Eine solche Lösung wäre der gegenwärtigen, darwinistisch anmutenden Asylpolitik in vielerlei Hinsicht überlegen: Für Europa, weil es dann selbst auswählen kann, wer ins Land kommt; weil es Asylanträge bearbeiten und Sicherheitsprüfungen vornehmen kann, bevor jemand schon hier ist. Abschiebungen sind dann gar nicht mehr nötig.

Und für die Flüchtlinge selbst, weil dann nicht mehr die körperliche
Konstitution, der Geldbeutel oder der Zufall entscheidet, ob sie es
nach Europa schaffen. Darüber zu diskutieren wäre sinnvoller als Debatten über Grenzkontrollen am Brenner zu führen. Denn die sind nur Symptom einer größeren Krise - und werden allein nicht viel helfen.

Verwandte Themen


14 Kommentare