Hartz-IV-Debatte: Spahn provoziert auf Kosten der Ärmsten

12.3.2018, 11:04 Uhr
Jens Spahn fängt sich mit seinen Äußerungen zu Hartz IV viel Kritik ein.

© Monika Skolimowska (dpa) Jens Spahn fängt sich mit seinen Äußerungen zu Hartz IV viel Kritik ein.

Herr Spahn sorgt mal wieder für Aufregung. Das ist eigentlich nichts Neues, der Mann war noch nie für seine Zurückhaltung bekannt. Allerdings ist es weder geschmackvoll noch klug, als gut verdienender Politiker den Armen zu erklären, sie hätten es doch ganz gut. Natürlich hat Spahn erstmal Recht, wenn er sagt, das deutsche Sozialsystem sei eines der besten der Welt. Im Vergleich zu Südeuropa oder den USA stehen wir glänzend da. Nur zieht Spahn daraus die falschen Schlüsse.

Niemand müsste hungern, wenn es die Tafeln nicht gäbe? Vielleicht stimmt das sogar - aber nur, wenn der Betroffene auf alles andere verzichtet. Also auch auf eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dabei soll Hartz IV, also das Existenzminimum, explizit nicht nur das körperliche Überleben sichern, sondern eben auch diese Teilhabe ermöglichen. Das tut es aber ganz offenbar nicht, wenn arme Familien am Essen sparen (also sich bei einer Tafel anstellen) müssen, um ihrem Kind mal einen neuen Zirkel oder einen Besuch im Schwimmbad bezahlen zu können.

Unfaire Berechnungsmethoden

Experten sind sich erstaunlich einig, dass die Berechnungsmethoden von Hartz IV unfair und die Sätze zu niedrig sind. Das müsste auch Jens Spahn wissen. Aber er bedient mit seiner gezielten Provokation den rechten Flügel der Union, als dessen Speerspitze er sich sieht.

Bleibt die Frage: Warum hat der Gesetzgeber bisher nichts geändert? Es liegt, wie so oft, am Geld: Die Caritas hat einmal berechnet, dass der Satz für einen Single etwa 60 Euro höher sein müsste, um das Existenzminimum tatsächlich zu erfüllen. Das würde Milliarden kosten. Nicht nur, weil mehr Menschen plötzlich Anspruch auf Unterstützung hätten, sondern weil durch das höhere Existenzminimum auch der Grundfreibetrag steigen müsste. Das wäre eine Steuersenkung durch die Hintertür. 

Daran hat die Regierung kein Interesse, also schaltet sie auf Durchzug. Auf Kosten der Ärmsten. Mal wieder.

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