Horst Seehofers Spiel auf Zeit schadet der CSU

24.11.2017, 05:53 Uhr
Politik ist ein hartes Geschäft. Horst Seehofer hätte das wissen können. (Archivbild)

© dpa Politik ist ein hartes Geschäft. Horst Seehofer hätte das wissen können. (Archivbild)

Eines muss man Horst Seehofer lassen - er macht es noch einmal spannend. Trotzdem ist die Lösung, die sich abzeichnet im CSU-internen Machtkampf, aus Sicht der Partei die vernünftigste. Sie bietet die Chance, dass Seehofer wie Söder das Gesicht wahren, der eine sich zurückzieht, der andere aber nicht die ganze Macht bekommt. Es wäre ein wichtiges Signal für eine Partei, in der sich die Gräben zwischen den Lagern zu Schluchten vertieft haben, nicht nur zwischen Söder und Seehofer.

Für die CSU ist das nicht neu. Wann immer sie in den vergangenen Jahrzehnten ihr Spitzenpersonal ausgetauscht hat, war der Übergang blutig. Max Streibl drängten sie als kranken Mann aus dem Amt, auch wenn Nachfolger Edmund Stoiber umstritten war als Polarisierer und Machtkämpfer – ein Vorwurf, der sich heute gegen Söder richtet. Stoiber musste nach schmerzhaften Wochen gehen. Und als seine Nachfolger ihren Platz räumten für Horst Seehofer, erinnerten viele daran, was für ein Eigenbrötler Seehofer sei, wie unkalkulierbar, wie gefährlich.

Es stimmt, dass die Basis der CSU es schätzt, wenn Ruhe an der Spitze herrscht, dass sie Harmonie höher bewertet als Auseinandersetzung. Wenn sie allerdings zu erkennen glaubt, dass eine schwächelnde Spitze die Wahlergebnisse gefährdet, kann sie sich so schnell wie brutal von ihr abwenden. Sie sammelt sich hinter dem, der erfolgversprechend ist. Und der, das glauben viele in der CSU, ist nicht mehr Horst Seehofer.

Realitätsverlust

Politik ist ein hartes Geschäft, in dem Verdienste nichts und Zukunftsaussichten alles sind. Seehofer hätte das wissen können – er hat die Schlachten der vergangenen Jahrzehnte hautnah miterlebt, sie begleitet und stets auch profitiert. Er kennt die Mechanismen der Macht, vor allem aber die des Machterhalts, in dem das Scheitern schon angelegt ist.

Es ist bezeichnend, dass Spitzenpolitiker gegen Ende ihrer Laufbahn den Blick für die Realität verlieren. Ob Streibl, Stoiber oder Seehofer in der CSU, Helmut Kohl oder demnächst Angela Merkel in der CDU, sie alle wollten und wollen nicht wahrnehmen, dass ihre politische Zeit abgelaufen ist. Bei Seehofer ist das tragisch, weil er 2013 durchaus noch im Bild war, seinen Rückzug angekündigt hatte – und dann doch bleiben wollte, allen Warnrufen aus seiner Partei zum Trotz.

So gesehen ist er verantwortlich für den Machtkampf, das Machtvakuum, das er in den vergangenen Wochen in München hinterlassen hat. Er wollte nicht sehen, dass die CSU auf einen Neuanfang drängt, dass sie einen Neuanfang braucht, wenn sie eine Chance haben will bei der Landtagswahl. Die ist in nicht einmal mehr einem Jahr – eine extrem kurze Zeit in diesen politisch unkalkulierbaren Monaten.

Nun fragen sie sich nicht nur in der CSU, ob er jetzt den Weg wirklich freimacht für Markus Söder. Seehofer hat das erst angedeutet und dann nicht wiederholt. Das ist seine Art von Machtverständnis, von Machtgebrauch. Er spielt mit den Optionen, liebt das Verwirren. Dabei ist das inzwischen kaum mehr als ein letztes Aufbäumen, das ihm vielleicht etwas Zeit bringt, die Probleme, die drängenden Fragen aber nicht löst.

Personalie Söder spaltet die CSU

Es ist sicher richtig, dass die Personalie Söder derzeit die CSU spaltet. Doch das ist auch ein Verdienst von Seehofer, der nie ernsthaft einen Nachfolger hochkommen lassen wollte. Und jetzt den aussichtsreichsten Kandidaten mit aller Macht bekämpft. Dabei spräche es für Seehofers politische Größe, wenn er seinen Widerstand gegen Markus Söder aufgäbe, der die Fraktion hinter sich hat und nicht nur ihr als der derzeit erfolgversprechende Kandidat gilt.

Seehofer hat stets betont, dass es ihm um das Wohl der CSU gehe. Impliziert war die Botschaft, dass er das bei Söder nicht sieht. Trotzdem sind zwei Varianten wahrscheinlich, wie es weitergeht in der CSU: Seehofer geht nach Berlin und übergibt das Ministerpräsidentenamt an einen Nachfolger, der Markus Söder heißen kann. Oder er behält beide Funktionen, verzichtet aber für Söder auf die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2018.

Ideal aus CSU-Sicht wäre die erste Variante, verheerend die zweite, weil kaum vorstellbar ist, wie der eine in den Wahlkampf ziehen soll, während der andere weiter die Tagespolitik bestimmt. Theoretisch könnten Söder und Seehofer sich ergänzen, der eine die landespolitische Karte spielen, der andere die bundespolitische. Für die CSU wäre das ein Gewinn, weil Söder und Seehofer unterschiedlichen Lagern angehören und eine enorme Breite abdecken. Doch dafür müssten sie zusammenarbeiten, sich abstimmen, eine gemeinsame Strategie entwerfen. Viel verlangt von zwei Politikern, die sich derart feindlich gegenüber stehen.

Seehofer läuft Gefahr, dass er sich in seinem Kampf gegen Söder verrennt, dass es nicht mehr heißt, Söder spalte die CSU, sondern Seehofer. Vielleicht hofft er darauf, dass er am Ende eine andere Lösung präsentieren kann mit ihm als Parteichef in Berlin und einem Kompromiss-Kandidaten in München, der womöglich Joachim Herrmann heißen könnte. Darauf wetten sollte er nicht – Herrmann wäre am Wahltag 63. Ein Neuanfang sieht anders aus.

Verwandte Themen


16 Kommentare