Keinerlei Polizeigewalt? Das stimmt nicht, Herr Scholz

14.7.2017, 11:28 Uhr
Steht schwer in der Kritik: Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz.

© dpa Steht schwer in der Kritik: Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz hat sich eine Reputation erarbeitet, die ihn als eher besonnenen Politiker ausweist, keinen, der verbal gerne draufhaut, sondern einen, der auch differenzieren kann. In der Debatte um die exzessive Gewalt rund um den G20-Gipfel in der Hansestadt will ihm das aber offenkundig nicht gelingen, obwohl es dringend notwendig wäre. Seine Aussage "Polizeigewalt hat es nicht gegeben" ist schlicht und ergreifend falsch.

Das ändert überhaupt nichts daran, dass sich rund um den Gipfel 1000 bis 2000 militante Autonome zusammengetan hatten, deren einziges Ziel es erkennbar war, maximalen Schaden anzurichten, unter Umständen auch Leben zu gefährden. Selbst wenn die Polizei sich völlig zurückgehalten hätte, wäre dieser Gipfel nicht friedlich zu Ende gegangen. Auch dann wären Autos abgefackelt, Scheiben eingeschlagen und Polizisten angegriffen worden. Dass es im Linken Spektrum so viele Stimmen gibt, die das relativieren und Erklärungen oder gar Entschuldigungen dafür finden, ist beschämend.

Doch eine offene, schonungslose Debatte darüber wird eher erschwert, wenn jemand wie der Hamburger Bürgermeister alle Übergriffe grundsätzlich nur auf der Seite der gewalttätigen Randalierer ausmacht und der Polizei einen Persilschein ausstellt. Es sind auch zahlreiche völlig unnötig grobe bis brutale Übergriffe auf Demonstranten dokumentiert worden, die unvermummt und ruhig in der Nähe der Gewaltszenen standen.

Auch Journalisten, die ihren Presseausweis hochhielten, wurden angeraunzt ("Verpiss dich!"), bekamen Tritte und Schläge ab. Auch in einer so aufgeheizten Situation wie in Hamburg darf das nicht passieren – und wenn es doch passiert, muss das offen angesprochen werden dürfen. Das hat nichts mit Denunziation zu tun, und es rechtfertigt nicht die Gewalt der Militanten. Nichts soll hier relativiert werden.

Kritik sogar vom Ausbilder

Das Vorgehen der Hamburger Polizei war aber auch bei anderen Gelegenheiten schon Gegenstand der Kritik. Hartmut Dudde, der Gesamteinsatzleiter der dortigen Polizei, stand schon öfter in der Kritik wegen seiner kompromisslosen "Hamburger Linie". Wieso etwa sind die notorischen Krawalle am 1. Mai in Hamburg mittlerweile schlimmer als selbst in Berlin-Kreuzberg? Auch einer von Duddes Ausbildern, der Jura-Professor Hans Alberts, übte deutliche Kritik an seinem früheren Schüler. "Eine harte Linie führt zu Eskalation", stellte er auch nach den G20-Krawallen fest. Es gebe da "eine unheilige Allianz zwischen Hardlinern und Randalieren", denn nichts komme den militanten Autonomen mehr gelegen als ein ruppiges Vorgehen der Polizei.

Nicht nur in Hamburg

Doch dieses Abwehren jeglicher Kritik an der Polizei ist keineswegs auf Hamburg beschränkt. Das gab es zuletzt auch in Nürnberg. Nach der versuchten Abschiebung des jungen Afghanen Asef N., der aus einer Nürnberger Berufsschule abgeholt wurde und sofort in ein Flugzeug Richtung Hindukusch gesetzt werden sollte, rechtfertigten Polizeiführung und das bayerische Innenministerium das Vorgehen der Beamten. Dass die Situation so aus dem Ruder lief, wurde plötzlich auftauchenden Autonomen in die Schuhe geschoben, obwohl zahlreiche Zeugen – unter ihnen auch Journalisten aus unserem Haus – nirgendwo solche erkennen konnten.

Damit tut man der Polizei keinen Gefallen. Im Gegenteil, man macht ihr das Leben nur schwerer, weil die Akzeptanz in der Bevölkerung sinkt. Die Kritik gilt dabei weniger den einzelnen Beamten, die unter hohem Druck stehen, sondern mehr der Polizeiführung und den politisch Verantwortlichen. Hier wäre mehr Reflexion angebracht, nicht Schwarz-Weiß-Denken.

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