Kommentar: Brexit-Vertrag schafft nur ein wenig Zeit

14.11.2018, 13:59 Uhr
Kommentar: Brexit-Vertrag schafft nur ein wenig Zeit

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Früher hat die britische Premierministerin Theresa May noch ganz anders getönt, viel lauter. "Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal", verkündete sie ihren Landleuten, als die Verhandlungen gerade angefangen hatten. Heute, mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Brexit-Referendum, klingt das im Vergleich geradezu kläglich. Was derzeit vorliege, sei das Beste, was herauszuholen gewesen sei, ließ May ihre Regierungsmitglieder wissen, denen sie am Dienstagabend das Ergebnis vortrug. Einen nach dem anderen. Offenbar ist ihre Position so schwach, dass sie nicht einmal wagte, das gesamte Kabinett auf einmal zu informieren. Es hätte aus dem Ruder laufen können.

Ende März 2019 wird Großbritannien die EU also nur formell verlassen. Dann soll sich eine zweijährige Übergangsphase anschließen, in der im Grunde das meiste bleibt, wie es ist. Ob es in dieser Zeit gelingt, ein Freihandelsabkommen abzuschließen, ist zumindest ambitioniert. Mit anderen Staaten hat das sieben oder mehr Jahre gedauert. Und wie eine Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland aussehen soll, weiß im Grunde auch heute noch niemand so recht.

Die Mehrheit wackelt weiter

Ob May für das Paket, das jetzt zusammengeschnürt wurde, zuhause eine Mehrheit bekommt, ist zumindest nicht sicher. Die Premierministerin steht einer Minderheitenregierung vor, die zudem dringend auf die Zustimmung der nordirischen DUP angewiesen ist. Deren Vertreter haben auch jetzt wieder vor einem Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs gewarnt. Eine wirkliche Lösung zeichnet sich hier nicht wirklich ab.

Wo also stehen wir? Bis Ende 2020, wenn die knapp zweijährige Übergangsphase abläuft, könnte die politische Landschaft in Großbritannien völlig anders aussehen. Unklar ist, ob die konservative Regierung von Theresa May dann noch im Amt ist. Auch ein neues Referendum ist weiter nicht auszuschließen. Und ob die Bürger, die 2016 mit knapper Mehrheit für den Brexit gestimmt haben, dies beim nächsten Mal wieder tun würden, ist doch sehr zweifelhaft. Inzwischen ist klargeworden, welch dramatischen Nachteile der britischen Wirtschaft drohen – und damit letztlich auch den Bürgern. Auch viele junge Wähler, die 2016 noch eher uninteressiert waren, sind nun aufgewacht. Es könnte sich also alles noch drehen.

Die EU hat es bisher ganz gut gemacht. Die Verhandler sind ruhig geblieben, sie waren bestimmt, aber nicht hochnäsig. Was immer herauskommen wird, schon jetzt ist klargeworden, dass die EU so unattraktiv und sklerotisch, wie manche Kritiker sie darstellen, nicht ist. Und schon das ist ein Gewinn.

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