Kommentar: Das Gezerre um Flüchtlingsschiffe ist unwürdig

21.8.2018, 13:08 Uhr
Migranten stehen an Deck des italienischen Küstenwachschiffs "Diciotti", das nach mehreren Tagen im Mittelmeer in den Hafen von Catania eingelaufen ist. Die 177 Migranten an Bord dürfen das Schiff allerdings zunächst nicht verlassen.

© Foto: Salvatore Cavalli/AP/dpa Migranten stehen an Deck des italienischen Küstenwachschiffs "Diciotti", das nach mehreren Tagen im Mittelmeer in den Hafen von Catania eingelaufen ist. Die 177 Migranten an Bord dürfen das Schiff allerdings zunächst nicht verlassen.

Im Juni war es die "Lifeline", erst vor einer Woche die "Aquarius" - nun ist es also die "Diciotti". Das Gezerre um die Verteilung von aus dem Mittelmeer geretteten Flüchtlingen und Migranten geht mit einem neuem Schiff in eine neue Runde: Seit Montagabend liegt es im Hafen von Catania auf Sizilien, an Bord sind 177 Menschen.

Wieder einmal will kein Land sie haben: Die italienische Regierung hat nach einigem Hin und Her zwar immerhin erlaubt, einen Hafen anzusteuern, statt auf dem offenen Meer umherzuschippern. An Land gehen dürfen die Menschen aber nicht, da gibt sich Innenminister Matteo Salvini von der rechten Lega hart. Auch Malta sagt nein, wie schon bei den vorherigen Schiffen – von denen es dann doch einige anlanden ließ, nachdem andere EU-Staaten wie Deutschland, Frankreich, Portugal und Luxemburg zugestimmt hatten, einen Teil der Geretteten aufzunehmen.

Ist Salvinis Politik Erpressung?

Darauf setzt auch Salvini im Fall der "Diciotti": Er will "Antworten von Europa", erst dann dürften die Migranten Fuß auf italienischen Boden setzen. Ist "Erpressung" für diese Art Realpolitik das richtige Wort? Ein Trauerspiel ist es mindestens, und ein unwürdiges obendrein. Auf dem Rücken von Menschen, die mehrere Tage auf dem Meer verbracht haben - erst an Bord eines kaum seetauglichen Kahns, dann auf einem für diese Größenordnung nicht ausgelegten Rettungsschiff -, die erschöpft und womöglich gesundheitlich angeschlagen sind, versuchen europäische Regierungen, eine Einigung für einen politischen Streit zu erzwingen, der seit Jahren schwelt.

Dass der Populist Salvini die Situation gleichzeitig nutzt, um sich als neuer Innenminister zu profilieren und seine Anhänger zufrieden zu stellen, ist klar. Dennoch wäre es billig, nun mit dem Finger auf Italien, Malta oder Spanien zu zeigen, das unter dem neuen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez zwar schon Gerettete aufgenommen, andere Schiffe aber ebenfalls abgewiesen hat. Diese Länder bilden aufgrund ihrer geografischen Lage nun mal die erste Anlaufstation für Rettungsschiffe. Doch der EU gehören (noch) 28 Staaten an, die gemeinsam für eine faire Verteilung der aus dem Mittelmeer geretteten Menschen sorgen müssen.

Kein Land will "kontrollierte Zentren" beherbergen

Erst im Juni haben die Regierungen im Europäischen Rat gefordert, "kontrollierte Zentren" zu schaffen, in denen überprüft werden soll, ob Ankömmlinge schutzbedürftig sind – oder die EU wieder verlassen müssen. Brüssel hat angeboten, diese Zentren personell auszustatten und alle Kosten aus dem Unionsbudget zu finanzieren.

Bislang hat aber kein Mitgliedstaat zugesagt, ein solches Zentrum bei sich einzurichten (wohlgemerkt soll das laut EU-Gipfel kein Ersatz für eine Reform der Dublin-Abkommen sein, die vorsehen, dass dasjenige Land den Asylantrag eines Bewerbers prüfen muss, in dem er zuerst die EU betreten hat – eine Regelung, von der zentral angesiedelte Länder wie Deutschland jahrelang profitierten). Wenn jedoch alle nur abwarten und hoffen, dass schon jemand anderes den Finger heben wird, wird das Gezerre auch beim nächsten und übernächsten Schiff weitergehen.

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